Amnion 5: Heute sterben alle Götter
zum Märtyrer machen. Seine oppositionelle Haltung gegen Generaldirektor Fasner und die VMK ist allgemein bekannt. Es sollte der Eindruck entstehen, deswegen sei er ermordet worden.«
Warden Dios schnaubte dumpf; zu leise, als daß das Mikrofon es erfaßt hätte. »Das gleiche trifft aber nicht für Godsen Erik zu.«
»Gewiß nicht.« Statik oder Streß verliehen Fanes Gönnerhaftigkeit einen unwirklich spröden Klang. »Als Sprecher im Rahmen der besonderen Beziehungen zwischen VMK und VMKP war er aber naheliegenderweise ein Feind der Transnationalen Terratreuen. Sie hatten vor, in der Verwirrung, die Kapitän Vertigus’ Märtyrertod verursacht hätte, einen Schlag gegen eine der exponiertesten Zielpersonen zu führen.«
Einige Sekunden lang schien Dios über diese Meinung nachzudenken. »Und das heutige Attentat?« fragte er schließlich.
»Ein Versuch, das Regierungskonzil einzuschüchtern«, antwortete Fane mit fester Stimme. »Furcht macht dumm, und Dummheit ist der ideale Nährboden für die Transnationalen Terratreuen.«
Darin sah Hashi Lebwohl ein bemerkenswertes Beispiel interpretativen Schwindels. Aus seiner Sicht führte Dummheit zur Ablehnung von Kapitän Vertigus’ Abtrennungsgesetz.
Unter Umständen vertrat Warden Dios die gleiche Auffassung – daß es bei Koina Hannish der Fall war, sah man ihr an –, aber er unterließ jede diesbezügliche Äußerung.
»Ich gehe Ihrem Verdacht nach«, beteuerte er dem Handlanger des Drachen. »Allerdings muß ich sagen, Mr. Fane, es wundert mich, daß Sie Alt überhaupt eingestellt haben. Sie hatten doch schon damals Grund zu der Annahme, daß er nicht sonderlich verläßlich sein könnte.«
Cleatus Fane schnaufte. »Weil er nicht Direktorin Donners Anforderungen ans Verhalten eines VMKP-Offiziers genügt hat? Es gibt auf unserem Planeten wohl nur sehr wenige Menschen, die jederzeit derartigen Kriterien standhielten. Die Aburteilung hat ihm aus unserer Sicht nicht die Fähigkeit zu nützlicher Arbeit geraubt. Oder zu ehrlicher Arbeit, wenn man so will. Aber die Wahrheit ist« – Mikrowellengeräusche beeinträchtigten seine ostentative Aufrichtigkeit –, »seine Aburteilung war einer der Gründe, weshalb er von uns angestellt wurde. Daß er gegen die VMKP einen Groll hegt, hat er nie verheimlicht. Aus unserer Warte hatte er dadurch einzigartigen Wert. Wir konnten einen Mann gebrauchen, der stark dazu motiviert war, an allem, was Sie bei der VMKP anpacken, Fehler zu finden, insbesonders im Hinblick auf die für Körperschaften wie das Anodynum-Systemewerk und das EKRK konzipierten Sicherheitsvorkehrungen. Wenn er auf keine Schwachstellen stößt, haben wir uns überlegt, dann findet niemand welche. Und entdeckt er so etwas, dachten wir, läßt es sich beseitigen.«
Ebensogut hätte der Geschäftsführende Obermanagementdirektor sagen können: Versuchen Sie es bei mir erst gar nicht mit Klugscheißerei, Polizeipräsident Dios. Es wäre Zeitverschwendung.
Sicherheitschef Mandich hatte eine düstere, widerwillige Miene aufgesetzt, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars.
Warden Dios zuckte die Achseln. »Wie erwähnt, meine Zeit ist knapp, Mr. Fane«, lautete seine Antwort. »Einige der Verdachtsmomente, auf die Sie hinweisen, werden schon durch Direktor Lebwohl untersucht.« Bald mußte Cleatus Fane merken – falls er nicht längst darauf aufmerksam geworden war –, daß Hashi Lebwohl über etliche Computer in Holt Fasners Firmensitz und beim Anodynum-Systemewerk Priorität-Rot-Modifikationssperren verhängt hatte. »Nur eine Frage noch, wenn’s recht ist. Hat Alt etwas von seiner Arbeit mitgenommen?«
»Polizeipräsident Dios«, versicherte Fane sehr nachdrücklich, »kein Mensch kann diese Art von Arbeit im Kopf mit sich tragen. Sie ist viel zu kompliziert und umfangreich. Sein letztes Programmierungsprojekt, das Schreiben eines Quellcodes, umfaßte ungefähr acht Millionen Zeilen. Die meisten Leuten müßten sich die Gehirne kaputtrackern, um sich bloß der Designprotokolle zu entsinnen. Und wir haben hundertprozentig dafür gesorgt, daß er nichts auf andere Weise fortschleppen konnte. Das kann ich Ihnen versichern.«
In dieser Beziehung hatte Hashi Lebwohl die Überzeugung, daß die Aussagen des GOD mit der faktischen Wahrheit übereinstimmten. Kapitänhauptmann Alts Geheimnisse, welcher Art sie auch gewesen sein mochten, waren nie über den Orbitalen Firmensitz des Drachen hinausgedrungen.
»Na gut, Mr. Fane«, antwortete Warden Dios. »Ich
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