Amnion 5: Heute sterben alle Götter
»Sie hat es sogar noch geschafft, aus diesem Fragment Daten zu bergen. Muß ich erst erläutern, weshalb darin eine bemerkenswerte Leistung zu sehen ist?« Er schaute in Sicherheitschef Mandichs Miene unverblümter Abneigung, lenkte dann den Blick zurück zu Warden Dios.
»Wahrscheinlich nicht«, beantwortete Hashi die Frage selbst. »Naturgemäß sind diese Daten so unvollständig wie der Chip. Trotzdem läßt sich daraus manches ersehen. Insbesondere hat Harbinger Teile eines Quellcodes erkannt, die erstens anzeigen, es war einer unserer Chips, auf völlig rechtmäßiger Basis für uns produziert beim Anodynum-Systemewerk, und zweitens, daß er erst kürzlich fabriziert wurde. Der Quellcode ist aktuell und korrekt. Nichts an ihm deutet auf Überschreibungen oder andersartige Abänderungen hin. Diese Erkenntnis korrespondiert mit allem, was Harbinger anhand der Materialuntersuchung des Chips festgestellt hat…«
Allmählich paßte Hashi Lebwohl seine Gesten dem Umfang des abgehandelten Themas an.
»Wie Sie wissen, müssen Legitimationen, um als gültig durchzugehen, nur stimmen. Auch Chips mit teils überschriebenem Inhalt werden anerkannt. Bei ihnen sind allerdings die Quellcodes nicht aktuell. Andernfalls wären keine Änderungen vorhanden.«
Quod erat demonstrandum.
»Leider liefern diese Einsichten uns kaum Hinweise auf Godsen Friks Mörder. Wenn seine Legitimationen erst kürzlich ausgestellt worden sind – vor zu kurzer Zeit, als daß bei ihnen die Korrekturen vorhanden sein müßten, die Geschäftsführender Obermanagementdirektor Fane erwähnt hat –, dürften sie sowohl aktuelle wie auch korrekte Quellcodes gehabt haben. Clay Imposs’ Legitimationen dagegen, die aus Nathan Alts Besitz stammen, geben uns erheblich mehr Aufschlüsse.«
Hashi Lebwohl lächelte, um Warden Dios – ebenso wie Hannish und Mandich – daran zu erinnern, daß er es gewesen war, der unter Einsatz seines Lebens Alt diese Legitimationen entrissen hatte.
Nun konnte Sicherheitschef Mandich sich nicht mehr bezähmen. Hashi Lebwohls weitschweifiges Referat flößte ihm wohl beträchtlichen Rochus ein. »Wieso?« fragte er. »Das kapiere ich nicht. Wenn die Codes soweit richtig sind, daß sie bei der Überprüfung nicht auffallen, inwiefern soll es dann von Interesse sein, ob sie aktuell sind oder nicht?«
Hashi schlug einen leicht schärferen Ton an. »Der ach so hilfsbereite Cleatus Fane hat uns mitgeteilt, Nathan Alt ist vor sechs Wochen hinausgeworfen worden. Außerdem hat er behauptet, es seien durchgreifende Sicherheitsmaßnahmen veranlaßt worden, um dagegen vorzubeugen, daß Nathan Alt Daten des Anodynum-Systemewerks für kriminelle Zwecke mißbraucht. Ich gehe davon aus, daß sowohl die Aufzeichnungen beim Anodynum-Systemewerk wie auch in Generaldirektor Fasners Firmensitz diese Angaben bestätigen. Aber gleichzeitig bin ich der Überzeugung, daß der Geschäftsführende Obermanagementdirektor uns belügt. Clay Imposs war Wachtmeister im EKRK-Schutzdienst. Um in diesen Rang aufzusteigen, muß er mehrere Jahre lang dort tätig gewesen sein.« Gerne wäre Hashi gelassen geblieben, hätte lieber eine so stoische Fassade bewahrt wie der Polizeipräsident. Doch er vermochte das Fiebern seiner inneren Erregung nicht völlig zu verheimlichen. »Infolge dessen hätten sein Dienstausweis und die Identifikationsplakette vor sechs Wochen abgeändert worden sein müssen. Trotzdem ist der Quellcode seiner Legitimationen beides, nämlich korrekt und aktuell gültig.« In dieser Hinsicht konnten Lane Harbinger und ihren Mitarbeitern unmöglich ein Irrtum unterlaufen sein.
Koina Hannish schnappte hörbar nach Luft. Wie jemand, bei dem allmählich der Groschen fiel, knirschte Sicherheitschef Mandich eine Unflätigkeit durch die Zähne.
Mit ausdrucksloser Miene wartete Warden Dios auf Hashi Lebwohls nächste Erläuterungen.
»Wie ich schon dargelegt habe, enthalten die besagten Legitimationen eine Vermischung seiner und Nathan Alts Personendaten«, konstatierte Hashi. »Aber eine derartige Kombination kann nur durch jemandem erstellt worden sein, der ungehinderten Zugriff auf die Codieromaten hatte. Schließlich handelt es sich um eine komplette Fälschung, die nur dank genauer Kenntnis der Codieromaten zustandegebracht werden konnte. Allerdings sind die Programmierer der Codieromaten unsere eigenen Leute.« Triumph klang in Hashis Tonfall an. »Kein Mensch, den wir nicht selbst mit diesbezüglichen Pflichten betraut haben, konnte
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