Amnion 5: Heute sterben alle Götter
hat, um ein Holoenzym hervorzubringen, das als chemischer Zünder der ihm implantierten Bombe diente…«
Nun legte Hashi Lebwohl eine bedeutungsschwere Pause ein, gewährte aus purer Bosheit Sicherheitschef Mandich die Gelegenheit, eine unsinnige Bemerkung von sich zu geben. Aber der Mann hielt den Mund. Vielleicht hatte er eingesehen, daß derlei Dinge ihn überforderten.
Auf unerklärliche Weise verstärkte sich jetzt Warden Dios’ Präsenz. Seine Umrisse schienen schärfer zu werden, als hätten sich die Lichtverhältnisse geändert; die strengen Konturen seines Gesichts deuteten neue Möglichkeiten ebenso wie Gefahren an. Aber er verzichtete darauf, Hashi Lebwohl mit Zwischenfragen zu behelligen oder ihn erneut zu drängen.
»Wenn unsere Hypothese stimmt«, setzte Hashi Lebwohl seine Ausführungen fort, »sind aus ihr mehrere’ Schlußfolgerungen abzuleiten. Erstens bedurfte es keiner Handlung aus eigenem Willen. Kapitän Alt brauchte nicht selbst dafür zu sorgen, daß er ›in die Luft geht‹.« Er sprach die Redewendung in spöttischem Ton aus. »Zweitens ist aufgrund der Benutzung dieser speziellen Art von Zünder anzunehmen, daß die für den Kaze Verantwortlichen von vornherein die Absicht hatten, den Moment der Explosion je nach Ablauf der Ereignisse zu bestimmen. Sie mochten den Zeitpunkt, an dem die Bombe am günstigsten gezündet werden könnte, nicht von Anfang an festlegen. Drittens kann wegen der Anwendung eines chemischen statt eines funkgesteuerten Zünders vermutet werden, daß die Täter Sorge hatten, mit einem Sender ertappt zu werden. Infolge dessen ist es meines Erachtens offensichtlich, daß die Detonation nur von einem Augenzeugen der Geschehnisse im EKRK-Beratungssaal ausgelöst worden sein kann.« Hashi erlaubte es sich, obwohl es überflüssig war, diese Einsicht auszusprechen, um einige Augenblicke Zeit herausschinden und über ein paar der obskureren Eventualitäten, auf die Lane Harbingers Untersuchungen ansatzweise verwiesen, nachdenken zu können.
»Und sicher war es vorhersehbar, daß der VMKP-OA-Sicherheitsdienst die Insel abriegelt, um der Flucht etwaiger Verdächtiger vorzubeugen. Die Gefahr, ein indizienträchtiger Funkauslöser könnte entdeckt werden, wäre also real vorhanden gewesen.«
Er blickte Koina Hannish und Sicherheitschef Mandich an, als ersuchte er sie, die Richtigkeit seiner Logik zu überprüfen. Dann schenkte er seine Aufmerksamkeit wieder Warden Dios.
»So wird das Vorgehen der Täter verständlich. Gegen seinen Willen wird Kapitän Alt in Hypnose versetzt. Man konditioniert ihn so, daß er auf ein bestimmtes Zeichen reagiert, irgendein Wort, eine Geste. Man pflanzt ihm – bis Lane Harbingers endgültige Ergebnisse vorliegen, dürfen wir in dieser Beziehung ruhig spekulieren – einen falschen Zahn mit einer starken Dosis des fürs Entstehen des chemischen Zünders erforderlichen Koenzyms ein, einen Zahn, der beim Draufbeißen bricht. Man stattet ihn, wieder gegen seinen Willen, mit Clay Imposs’ Legitimationen aus. Dann wird er in den EKRK-Beratungssaal geschickt, um dort das Zeichen zur Zündung und den eigenen Tod abzuwarten. Der naheliegendste Vorteil dieser Methode ist, daß kein Beweismaterial zurückbleibt. Die Kenntnis des vorkonditionierten Zeichens sowie des Manns oder der Frau, der oder die es gibt, geht verloren, sobald der Kaze stirbt. Weder ein Sender noch ein Zünder sind zu finden. Und nebenher schafft man sich, ließe sich vorstellen, einen Mann vom Hals, der durchaus unliebsam geworden sein könnte.« Einen Mann, der wußte – und es folglich eventuell irgendwann enthüllen mochte –, wie man die in Anwendung befindlichen Codieromaten mißbrauchen konnte.
»Die offensichtliche Schlußfolgerung lautet«, konstatierte Hashi Lebwohl voller Befriedigung, »daß die Person, die das Zeichen gegeben hat, sich einwandfrei in Kapitän Alts Blickfeld aufgehalten haben muß.«
Nicht nur im Sitzungssaal zugegen gewesen, sondern von Nathan Alts Standort aus ungehindert und deutlich erkennbar.
Wundersame energetische Schalen, Schichten aus Ungewißheiten, umringten den Mittelpunkt des Atoms; den Kern der Wahrheit.
Weder Direktorin Hannish noch Sicherheitschef Mandich sagte ein Wort. Vielleicht spürten sie die greifbare Nähe gewisser Implikationen lediglich, ohne sie fassen zu können. Oder womöglich blieb ihnen unklar, weshalb Direktor Lebwohl derlei Details als so bedeutsam erachtete.
Warden Dios hingegen reagierte völlig
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