Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Ton falscher Verträglichkeit. Bestimmt meinte Mandich eigentlich: Wieso haben Sie ihn erkannt, wenn wir es nicht konnten?
»Ja.« Sicherheitschef Mandich war so unverblümt wie seine Miene grob: unbeugsam wie Stein. Seine nahezu farblosen Augen spiegelten die dumpfe Zähigkeit eines Kampfhunds wider. »Außerdem muß ich wissen, warum Sie nicht eher etwas unternommen haben, um ihn unschädlich zu machen. Durch irgend etwas an ihm sind Sie mißtrauisch geworden. Sie haben Ihren Platz verlassen und sich ihm durch den Saal genähert. Aber Sie haben nichts gesagt.« Mandich sprach mit unverhohlener Erbitterung. Pannen waren ihm zuwider. »Es war pures Glück, daß im Saal niemand ums Leben gekommen ist. Hätten Sie sich nicht die Mühe gespart, uns zu warnen, könnte aber ein EKRK-Schutzdienstmann noch am Leben sein. Und Kadett Crender hätte noch seine linke Hand. Bei allem Respekt, Direktor Lebwohl« – jetzt wurde sein Tonfall gehässig – »was haben Sie sich dabei bloß gedacht?«
Ein Zittern durchlief Hashis Gestalt. Nachträglich durchbebte ihn nun die eigene Reaktion auf Gefahr und Zumutungen der vergangenen Stunden. »Also gut.« Er faltete die schmalen Hände im Schoß, um seine Empörung zu verhehlen. »Sie beantworten meine Fragen, und ich antworte auf Ihre Fragen. Um Ihre Formulierung zu verwenden, ›was haben Sie sich bloß dabei gedacht‹, mir zur Ausführung meiner Befehle ein Bürschchen wie Kadett Crender zuzuteilen?«
Mandich riß die Augen auf.
Ein schrilles Pfeifen in der Stimme, schleuderte Hashi Lebwohl seine Vorhaltungen dem Sicherheitschef ins rauhe Gesicht wie einen Schwarm Wespen. »Ich hatte gegenüber Ihrem Stellvertreter Ing meine Anforderung klar zum Ausdruck gebracht. Ich hatte ihm gesagt, daß ich wünschte, er und seine Leute sollten sich zur Befolgung meiner Bitten und Anweisungen in Bereitschaft halten. Seine Antwort lautete, so etwas sei ausgeschlossen, ohne vorher mit Ihnen Rücksprache zu nehmen. Diesen Standpunkt habe ich als verfehlt erachtet. Wörtlich habe ich ihm erklärt: ›Falls ich von Ihnen verlange, etwas zu erledigen, muß es geschehen, ohne daß Sie Zeit damit vergeuden, Ihren Chef um Erlaubnis zu fragen.‹ Gleichzeitig habe ich ihm verdeutlicht, nichts Bestimmtes zu erwarten, aber auf alles vorbereitet zu sein. Trotzdem hat er noch immer gezögert. Daraufhin habe ich mein Anliegen so ausgedrückt: ›Dann seien Sie so freundlich und teilen Sie Sicherheitschef Mandich mit, ich wünsche von ihm Personal unterstellt zu haben, das seine Einwilligung hat zu tun, was ich sage.‹ Auch das habe ich wörtlich so geäußert. Direktorin Hannish hat mein Ersuchen unterstützt.«
Verschwommen bemerkte Hashi Lebwohl, daß Koina Hannish ihn anstarrte, vor Verblüffung den Mund leicht offenstehen hatte. Wahrscheinlich weil sie ihn, in all den Jahren, in denen sie für ihn tätig gewesen war, nie so zornig hatte reden hören.
Schamröte verfärbte Sicherheitschef Mandichs Hals, Wut machte ihm die Wangen rotfleckig. Er öffnete den Mund zu einer Entgegnung. Aber Hashi war noch nicht fertig. Er räumte dem Sicherheitschef keine Chance zur Widerrede ein.
»Und was haben Sie daraufhin getan?« fragte er barsch. »Mir einen Jungen mit so wenig Erfahrung zugeteilt, daß er nicht reagieren konnte, ohne erst einmal zu stutzen – und durch diese Schrecksekunde hätte es im Sitzungssaal des Erd- und Kosmos-Regierungskonzils zahlreiche Tote geben können. Gewiß, er hat den Schreck überwunden. Er tat, was nötig war, um Leben zu retten. Das rechne ich ihm hoch an. Ihr Verhalten hingegen, Sicherheitschef Mandich, bewerte ich als höchst kritikwürdig.« Hätte Hashi Lebwohl nicht seine Hände in der Gewalt gehabt, sie hätten jetzt wie Dolche mitten ins Gesicht des Sicherheitschefs gezeigt.
»Ich bin Direktor der Abteilung Datenakquisition bei der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei, aber Sie haben meine ausdrücklichen Wünsche nicht ernst genug genommen, um mir Personal zu unterstellen, das zur augenblicklichen Durchführung meiner Weisungen fähig ist. Wollen wir nun unsere jeweiligen Beweggründe diskutieren, oder möchten Sie damit lieber warten, bis wir sie Polizeipräsident Dios erläutern dürfen?« Abschätzig zuckte Hashi Lebwohl die Achseln. »Was mich angeht, ich kann bis dahin warten.«
Sicherheitschef Mandich klappte den Mund zu. Aufgrund unterdrückter innerer Gefühlsregungen wirkte sein Gesicht geschwollen. Der arme Mann war mit einem solchen
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