Amnion Omnibus
Cleatus Fane blieb ein Kommentar aus; es beanspruchte ihn zu sehr, in sein Kehlkopfmikrofon zu raunen und auf Befehle aus dem Ohrhörer zu lauschen.
Und die übrige Zuhörerschaft, mutmaßte Koina, hatte schon zuviel Skandalöses zur Kenntnis nehmen müssen. Die Leute waren längst zu verstört, um bei jeder neuen Enthüllung aus dem Häuschen zu geraten.
Pech für sie: Koina kam gerade erst richtig in Schwung. Während des Weiterredens erlangte ihre Stimme einen härteren Klang.
»Angus Thermopyle wurde auf der KombiMontanStation der Entwendung von Stationsvorräten angeklagt und deswegen verurteilt. Aber er hat den Diebstahl nicht begangen. Er ist zu unrecht beschuldigt worden. Wir haben den Verdacht auf ihn gelenkt. Um genau zu sein, wir haben Milos Taverner und Nick Succorso dafür bezahlt, ihn hereinzulegen. Taverner wurde Geld gezahlt.« Koina sprach jedes einzelne Wort mit zweifelsfreier Deutlichkeit aus. »Succorso mit Morn Hyland entlohnt.« Das war für Blaine Manse zuviel. »Mein Gott!« schrie sie; heulte beinahe auf. »Ihrer eigenen Mitarbeiterin?
Und Sie geben es zu? Weshalb?« Koina wußte, was Blaine Manse meinte: Warum haben Sie Morn Hyland geopfert? Hashi Lebwohls Stellungnahme dazu hatte gelautet: Leutnantin Hyland war unwiderruflich kompromittiert. In einer Hinsicht mochte er sich damit an die Wahrheit gehalten haben; in anderer Hinsicht jedoch war es völlig falsch, eine irreführende Fehlinformation, die Warden Dios’ Gegenspieler verwirren sollte.
Pfiffig antwortete die RÖA-Direktorin, als bezöge Blaine Manses Frage sich auf Angus Thermopyle. »Wir wollten sicher sein, daß man ihn wegen keines Gesetzesverstoßes verurteilte, der die Todesstrafe nach sich zog, damit wir ihn anschließend in unseren Gewahrsam überstellen lassen konnten. Und…« Noch immer fiel es ihr schwer, derlei Dinge auszusprechen. Aber die Erbitterung, die in ihr schwelte, half ihr dabei, sich dazu durchzuringen. »Und es war unser Ziel, die Glaubwürdigkeit des KombiMontan-Sicherheitsdienstes zu untergraben. Sicherlich entsinnen Sie sich alle, wie es zur Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes gekommen ist. Es wurde mehrmals von uns vorgelegt, und Sie haben es jedesmal abgelehnt. Erst als wir einen Weg fanden, um Ihnen den Eindruck zu vermitteln, die lokalen Sicherheitsdienste seien unzuverlässig, ist es Ihrerseits befürwortet worden. Dafür haben wir Angus Thermopyle gebraucht.« Sie sprach mit normaler Lautstärke und in gleichmä ßigem Tonfall. Trotzdem erfüllte die enorme Bedeutsamkeit ihrer Bekenntnisse den Saal wie Schreie. »Gestatten Sie mir, unzweifelhafte Klarheit zu schaffen. In dieser Sache können wir uns keine Mißverständnisse erlauben. Wir haben Angus Thermopyle mit dem Vorsatz in die Falle gelockt, Sie zur Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes zu verleiten. Auch das« – zum Abschluß verwies sie auf die relevante Einzelheit – »ist auf Generaldirektor Holt Fasners persönliche Anordnung geschehen.« Sie rechnete seitens Maxim Igensards mit einem neuen Ausbruch der Erregung, beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, um sich darauf einzustellen. Doch anstatt einem Wutanfall entgegenzuschwellen, schien er kleiner zu werden. Infolge irgendeines insgeheimen Erschreckens wich ihm das Blut aus den Wangen, etwas erstickte die Glut seiner fanatisch gerechten Empörung.
Ihm sanken die Schultern herab, seine Augen huschten zur Seite, fort von Koina, ja der ganzen Versammlung.
»Nein«, ächzte er so leise, daß selbst Koina ihn kaum verstehen konnte. »Nein. Alles läuft falsch. So geht’s nicht. Nicht wenn Fasner…“
Er mußte inzwischen begriffen haben, daß Koina und Warden Dios – viel weiterreichende Ziele verfolgte, als er sich überhaupt auszumalen vermochte.
Während Igensards Aufgeblasenheit verpuffte, setzte sich Kapitän Vertigus an seinem Platz wieder aufrecht hin; seine Hände waren fahrig, doch in seinen Augen glomm ein scharfer Blick. Möglicherweise hatte er Koinas unausgesprochene Hinweise doch verstanden. Ein wirksames Antimutagen-Immunitätsmedikament zu verheimlichen, war eine Art von kriminellem Verhalten; in voller Absicht das Regierungskonzil zu täuschen, um ein Autorisierungsgesetz durchzupeitschen, bedeutete einen Großbetrug wieder gänzlich anderer Dimension.
Falls diese Beschuldigung sich dem Drachen nachweisen ließ… Ungeachtet seiner vorherigen Fassungslosigkeit wirkte er jetzt wie ein Mann, der Arbeit zu erledigen hatte.
Koina seufzte. Es war wirklich
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