Amore siciliano
war es unser Skilehrer Bodo, das Wildwasserrafting in Norwegen lernten wir von unserem Skipper Lasse. Dann waren wir noch Bergwandern in der französischen Schweiz (Hüttenwirt Pierre), Rudern auf der Themse (Bootsverleiher Leicester) und Tauchen in der Karibik (Tauchlehrer Emilio). Auf diese Weise waren aus uns allen einigermaßen sportliche und seelisch ausgeglichene Teenager geworden, die trotz Pommes & Co. schlank und fit waren – und jederzeit bereit, sich zu verlieben. Während mein Bruder mittlerweile Bogenschießen, Golf und Rugby praktizierte und dank seines blendenden Aussehens an jeder Hand zehn Mädchen haben konnte, spielte meine kleine Schwester Luna leidenschaftlich gern Tennis und war mit ihrem Tennislehrer Holger zusammen. Fern allen elterlichen Zwängen hatte sich meine eigene Sportlichkeit nach meinem Auszug jedoch auf die tägliche Fahrradfahrt zur Filmhochschule und einmal die Woche Schwimmen reduziert (und das, ganz ohne mich in den Bademeister zu verlieben). Die Liebe hatte mich dafür am Arbeitsplatz wie ein Blitz getroffen. Und die Vorstellung, schon bald mit Malte im Mittelmeer baden und zu den Äolischen Inseln oder zur italienischen Stiefelspitze hinüberschauen zu können, war einfach wunderbar.
Italien war in meinen Augen das perfekte Urlaubsland: Die Sprache war romantisch, das Essen aromatisch, der Wein köstlich, und den Großteil des Jahres hatte man herrliches Sonnenwetter – ein Paradies eben. Und wirwürden mit dem Dokumentarfilm einen Beitrag dazu leisten, dass dies auch als solches präsentiert wurde.
Ich nahm mir vor, sofort am Montag in der Stadtbibliothek im Prenzlauer Berg einen Reiseführer über Sizilien auszuleihen, um mir die Gegend, in die es gehen würde, genauestens anzuschauen.
»In Italien kann man gar nicht genug Grappa und Prosecco trinken«, behauptete Charly. »Ich hab hier einen Grappa, damit stoßen wir jetzt auf eure Reise an!« Sie holte kleine bauchige Stielgläser aus einer Vitrine und goss den verbliebenen sieben Gästen ihrer Geburtstagsfeier einen Schluck ein.
»Das ist aber kein Grappa, sondern irgendein Traubenmostschnaps aus Portugal«, meinte Malte mit Blick auf das Etikett, und Charly verdrehte die Augen.
»Oller Pedant«, beschwerte sie sich. »Ist doch fast dasselbe!«
»Schön friedlich bleiben«, bat ich.
»Sind wir doch«, antwortete Charly. »Wir stoßen jetzt ganz friedlich auf deine Karriere an.«
»Prost!«
»Salute!«
»Cincin!«
Ich hatte noch nie Grappa getrunken. Der Schnaps, den irgendein Kommilitone Charly als Geschenk mitgebracht hatte, brannte mir in der Kehle. Mir lief ein seltsames Kribbeln durch den Körper, als ich daran nippte. Malte trank das Glas in einem Zug leer.
»Ah, gar nicht schlecht, das Gebräu«, seufzte er, und Charly schenkte ihm großzügig nach.
»Ich muss euch da unbedingt besuchen kommen, vielleicht fällt eurem Dieter dann ein, dass er noch eine Darstellerin gebrauchen könnte«, wog Charly ihre Chancen, auch noch zum Zuge zu kommen, ab.
»Ich glaube, das wird nichts«, bremste Malte sie sofort aus. »Das wird eine reine Dokumentation, die Hauptrolle werden die Familien spielen, auf deren Höfen wir drehen. Es ist eine Low-Budget-Produktion, da können wir keine bezahlten Schauspieler reinnehmen. Und schon gar keine unerfahrenen Schauspielschüler.«
So schnell gab Charly aber nicht auf: »Irgendwer muss doch die Sprechrolle übernehmen, auf die Tiere und Pflanzen deuten und die Beiträge anmoderieren, vielleicht Interviews führen.«
Malte schüttelte wieder den Kopf. »Da sehe ich keine Möglichkeit«, sagte er. »Die Stimme des Kommentators wird erst anschließend aufgenommen, wenn der Film im Studio zusammengeschnitten wird, und die Interviews werden Dieter oder ich machen. Ich wüsste nicht, wo wir da noch jemanden unterbringen sollten. Du siehst ja, selbst Lexi muss auf Bezahlung verzichten, wenn sie mitkommen will.«
Er streichelte mir zum Trost über den Kopf und ging dann auf den Balkon hinaus, um sich ein neues Bier zu holen.
»Der hat eben keine Phantasie«, raunte Charly mir zu. »Mir wird schon was einfallen, wie ich zu meinem ersten Fernsehauftritt komme.«
Sie war ein harter Brocken, meine Freundin.
»Ist doch egal, du kannst uns doch auch besuchenkommen, ohne mit dem Film zu tun zu haben«, tröstete ich sie. »Die Flüge kosten doch heutzutage nichts mehr, und im Gegensatz zu meinen Eltern sind deine ja recht freigebig, wenn es um Taschengeld geht. Ich würde mich
Weitere Kostenlose Bücher