Amore siciliano
ihn meine grünen Augen, wie er mir später gestand –, trafen wir uns dort immer öfter nach Feierabend, führten endlose Gespräche und verliebten uns schließlich. Malte hatte mein Leben von Grund auf verändert, kein Mann zuvor hatte so großen Einfluss auf mich ausgeübt. Das lag vermutlich daran, dass sie alle in meinem Alter gewesen waren. Aber mit Malte an meiner Seite hatte ich begonnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Er war acht Jahre älter als ichund arbeitete schon eine ganze Weile im Medienbereich. Bei Studio Berlin war er seit drei Jahren Redakteur, bisher jedoch nur bei kleineren Produktionen.
Vor allem war Malte ein sehr bewusst lebender Mensch, der sein Handeln genau reflektierte und den Nutzen oder Schaden für die Umwelt dabei bewertete. Er ernährte sich vegetarisch, sparte Energie, wo es nur ging, und trennte natürlich seinen Müll. Ich hatte mehrfach versucht, auch meine Eltern von den Vorteilen der Mülltrennung und -vermeidung zu überzeugen, mit dem Erfolg, dass Johanna nun das Altpapier aus den Papierkörben des Hauses heraussortieren und in den Pappcontainer beim Supermarkt werfen durfte. Immerhin wurde Glas in meinem Elternhaus sogar nach Farben sortiert, aber auf saisonale Produkte oder gar vegetarische Kost wollte sich in diesem Kaviarhaushalt niemand beschränken.
Malte ließ sich indes sein Obst und Gemüse vom Biohof liefern. Das war zwar teurer, aber dafür, meinte er, könne er ohne schlechtes Gewissen essen. Leider konnte sich nicht jeder dieses gute Gewissen leisten, denn diese Biokisten kosteten eine ordentliche Stange Geld. Für mein Studentenbudget war das nichts.
Im Haus meiner Eltern war es vollkommen unmöglich gewesen, sich von Biokost oder gar vegetarisch zu ernähren. Seit ich allein lebte, hatte ich meinen Fleischkonsum schon aus Kostengründen reduziert. Mit Malte zusammen war ich nun seit ein paar Monaten überwiegend Vegetarierin und fühlte mich damit sehr gut. Nur manchmal überkam es mich, und ich hatte Mühe, meiner Lust auf Bolognese zu widerstehen.
»Weißt du, woher der Name ›Grüne Woche‹ eigentlich kommt?«
»Na, ich nehme mal an, weil hier alles Bio ist«, tippte ich.
Malte grinste. »Ja, das hab ich auch mal gedacht, das wäre aus heutiger Sicht auch logisch«, erklärte er. »Aber tatsächlich hat das einen viel simpleren Grund: Die Grüne Woche heißt nur deshalb so, weil die Messebesucher früher fast ausschließlich aus dem Forst- und Landwirtschaftsbereich stammten und immer grüne Lodenjacken trugen.«
Ich schaute an mir herunter. Mein eigener Mantel war zwar nicht aus Loden, aber ebenfalls grün. Passte perfekt ins Klischee. Und zu meinem roten Haar. Ob ich wohl auch als Försterin durchgehen würde? Jedenfalls war es typisch Malte, dass er den Begriff gegoogelt hatte – er hinterfragte einfach alles, er nahm nichts einfach so als gegeben hin. Ich fand das toll. Meine Eltern zum Beispiel, die fragten nie, woher das Fleisch auf ihren Tellern stammte. Nun gut, immerhin kaufte Johanna seit Jahren nur beim Fleischermeister Brügge von nebenan, und der versicherte, jede Kuh, die bei ihm über den Ladentisch ging, persönlich gekannt zu haben.
Ich genoss den Tag auf der Grünen Woche. Es schien die perfekte Vorbereitung auf die Dreharbeiten: Überall wimmelte es von Biobauern, die ihre köstlichen Produkte präsentierten. Die Halle, in der Bier präsentiert wurde, begeisterte mich besonders. Ich hatte zwar gewusst, dass Deutschland das Land mit den meisten Privatbrauereien war, aber die Menge an Produkten, die es aus Bier gab,überraschte mich: Vom Schnaps bis zur Marmelade war für jeden Geschmack etwas dabei. Wir probierten ein Biobier, das nicht schlecht schmeckte. Es stieg mir aber sofort zu Kopf. Ich hätte Lust gehabt, noch weitere Sorten zu kosten, aber Malte wollte weiter, und so gingen wir weiter in Richtung »Obstanbau« – der eigentliche Grund unseres Messebesuchs, denn zwischen den deutschen, französischen und spanischen Biohöfen, die hier über ihre Anbauart und Geschichte informierten, waren auch Aussteller aus Italien dabei. Am Stand der Familie Vannini aus Sizilien stimmten wir uns bei Oliven und einer Limonade aus sizilianischen Zitronen auf die bevorstehende Reise ein.
Wir schlenderten den ganzen Tag über die Messe und probierten uns durch die Stände. Meine Papiertragetasche füllte sich mit unzähligen Flyern über Biohöfe, Schafsmilch und Vollkornprodukte, und mein Magen mit bunten Säften und
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