Amore siciliano
Stilistisch gesehen war er eine Zumutung. Seine spindeldürren langen Beine steckten in ausgefransten 501, die schon vor zehn Jahren out waren und ohnehin nur Männern mit wohlgeformtem Po standen. Dazu trug er eines dieser peinlichen Sprüche-T-Shirts mit einem kleinen Teufelchen vorne drauf. Darüber stand »God is busy« und darunter »May I help you?«. Sein ungebürstetes dunkelbraunes Haar zottelte sich um seine Ohren und hatte wohl seit Jahren keinen Friseur mehr gesehen. Ein Mann geschaffen, um ignoriert zu werden.
Seufzend sann ich darüber nach, wie viele wirklich coole Fotografen beim Jakobi-Verlag arbeiteten, wahre Künstler, feinsinnige, attraktive Männer, die leider alle mit einem anderen Team unterwegs waren, während wir diese Nervensäge mit nach Rom nehmen mussten. Da schwang sich Hanna auf den freien Platz zwischen uns. Stylish wie immer in ihren schmalen schwarzen Steghosen und dem rubinroten Top. Ihre schulterlangen hellblonden Haare hatte sie zu einem lockeren Knoten aufgesteckt. Dagegen war Markus’ Äußeres ein Kulturschock.
»Na, alles klar?«, fragte Hanna gutgelaunt.
»Bei mir schon, aber Maria sieht aus, als würde sie gleich rückwärts essen«, antwortete Markus.
Prüfend schaute Hanna mich an. »Stimmt«, meinte sie dann, »du siehst wirklich nicht sehr glücklich aus.«
»Ich hab eben einen empfindlichen Magen«, rechtfertigte ich meine immer blasser werdende Nase.
Darauf fing Markus schallend an zu lachen.
Ich spürte, wie leichte Aggressionen in mir hochkochten. Wütend funkelte ich ihn an: »Was ist denn daran bitte so komisch?«
»Nichts«, gluckste er und bemühte sich, ein ernsthaftes Gesicht aufzusetzen. »Ich denk nur, dass dein Job dann wohl genau das Richtige für dich ist.«
Darauf konnte ich leider nichts Gescheites erwidern. Ich tat so, als sei ich mit meinem Sicherheitsgurt beschäftigt. Das fing ja gut an. Mit diesem Mann sollte ich also die nächsten vier Monate unter einem Dach leben. Besten Dank.
Die Maschine rollte auf die Startbahn zu, und unbewusst krallte ich meine Fingernägel tief in die gepolsterten Armlehnen. Hanna strich mir beruhigend über die Hand.
»Das ist mal was Neues«, raunte sie mir zu. »Wir machen es uns schön, du wirst schon sehen.«
Ich hatte da noch meine Zweifel. Natürlich, Hanna und ich, wir waren seit Jahren ein super Team. Wir kannten uns schon aus Schulzeiten, hatten zusammen in Kiel studiert und in den Semesterferien zahlreiche gemeinsame Reisen unternommen. Vor allem unsere Trips nach Paris waren legendär: Einkaufsbummel auf den Champs-Élysées, Champagner in dem kleinen Bistro am Montmartre und viele nette Bekanntschaften, die uns zu Jazzkonzerten in die tollsten Lokale der Stadt führten.
Aber diesmal war es anders. Wir befanden uns nicht auf einer fröhlichen Urlaubsreise. Diesmal lag richtig viel Arbeit vor uns – und das ausgerechnet in Rom, einer Stadt, die ich im Gegensatz zu den meisten Deutschen als ungefähr so reizvoll wie ein Bad in Kakerlaken empfand. Das hatte den schlichten Grund, dass Rom in Italien lag. Und mit Italien hatte ich so meine Probleme.
Seit die Chefredaktion von
Climax
im Dezember in Kooperation mit dem Musiksender Viva das Projekt Capital Trends ins Leben gerufen hatte, wurde beim Jakobi-Verlag, wo ich seit geraumer Zeit arbeitete, von nichts anderem mehr gesprochen. Diese Städteführerreihe stand nun in den Startlöchern, und so wurden die drei- bis vierköpfigen Reporterteams von Jakobi in alle Himmelsrichtungen geschickt, um Lifestyle und Trendsin den europäischen Metropolen zu ergründen und jungen Reisewilligen nahezubringen.
Hanna und ich hatten uns mit Begeisterung für diese Auslandsarbeit beworben. Die Aussicht, von April bis Juli zusammen in einer aufregenden Hauptstadt wie Paris oder London verbringen zu können, mit der Aufgabe, die Geheimtipps und Szeneläden auszukundschaften, klang mehr als reizvoll. Einen besseren Job konnte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Es sei denn, man erwischte ausgerechnet die Stadt mit dem geringsten Sexappeal – Rom. Während andere bei der bloßen Erwähnung der italienischen Hauptstadt ins Schwärmen gerieten, löste sie bei mir völlig andere Assoziationen aus. Die Ewige Stadt war in meinen Augen nichts anderes als die Heimat von Horden von Schnulzensängern, wo die Mafiosi unter der Aufsicht des Papstes ihren dunklen Machenschaften nachgingen, kurz: eine konservative und von Kirche und Historie überladene italienische Einöde,
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