Amore siciliano
waren – immerhin hatten sie ihre älteste Tochter mit einem Abitur von 1,7 längst als Promovendin der Humboldt-Universität gesehen –, so sehr waren sie dann dagegen gewesen, dass ich die Ausbildung nicht zu Ende bringen und stattdessen den eher brotlos klingenden Studiengang Regie wählen wollte. Aber ich hatte keinen Sinn darin gesehen, weiterhin mein Leben im Labor vorm Mikroskopoder Reagenzglas zu fristen, nachdem ich endlich erkannt hatte, was ich wirklich machen wollte – Filme. Ich wollte große, wichtige Geschichten erzählen, und vor allem sollten meine Filme auch ein bisschen die Welt verändern.
Und deshalb hatte ich dem Labor Lebewohl gesagt und es nach einem langen, mühevollen Bewerbungsverfahren geschafft, mich an der Hochschule für Film und Fernsehen einzuschreiben, wo ich nun seit gut drei Jahren die Grundsätze von Kameraführung, Schnitt und Produktion und im Hauptfach Regie studierte. Nebenbei jobbte ich wie gesagt für die Filmproduktionsfirma Studio Berlin, und ohne diesen Job hätte ich Malte niemals kennengelernt. Nicht auszudenken! Dann wäre ich wahrscheinlich immer noch ein Fleisch essendes, Müll produzierendes Geschöpf, genau wie meine jüngeren Geschwister, und würde die Umwelt mit Füßen treten.
»Lexi?«
»Hm, was?«
»Ich hab gefragt, ob wir was essen wollen.« Malte grinste. »Du hast wohl gerade geträumt. Also, was ist, hast du auch Hunger?«
»Auf jeden Fall! Ich könnte ein Pferd verdrücken«, antwortete ich, und fügte sicherheitshalber hinzu: »Das war natürlich nur bildlich gemeint.«
Ich hatte nicht gefrühstückt, und mein Magen knurrte mächtig, aber deswegen würde ich natürlich nicht wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen und Fleisch essen. Das kam nicht in Frage!
»Ich hab Lust auf ein Wrap, komm, da vorn hab ich einen Stand gesehen.«
Er zog mich zu einer Bude, und wir bestellten zwei vegetarische »Italian Wraps« mit Mozzarella, Basilikum und Tomate. Das war etwas für den hohlen Zahn, richtig satt wurde man davon nicht, aber immerhin, mein Heißhunger war gestillt. Außerdem schmeckte mir Caprese in jeder Lebenslage. Ich bestellte noch einen Cappuccino. Es war erst mein dritter an diesem Vormittag, dennoch bekam ich Ärger.
»Du trinkst zu viel von dem Zeug«, befand mein Freund, der meinem Genussmittelkonsum kritisch gegenüberstand. »Irgendwann kriegst du noch einen Herzklabaster davon. Probier doch zur Abwechslung mal entkoffeinierten.«
»Und du machst dir zu viel Sorgen um mich«, gab ich zurück. »Ich bin jung und vertrage ein paar Tassen Kaffee am Tag.« Zum Beweis seiner These rutschte mir genau in diesem Moment der Kaffeelöffel durch die Finger und klirrte auf den Boden. Die waren aber auch verflixt klein, diese Cappuccinolöffelchen.
»Siehst du, du bist schon ganz hibbelig! Ich sag doch, das ist nicht gut für dich! Und dazu noch deine ewige Raucherei.«
Malte selbst trank ein stilles Mineralwasser. Er ernährte sich wirklich ziemlich gesund, und das fand ich auch beeindruckend. Immer wieder versuchte ich, seinem guten Beispiel zu folgen. In puncto Fleischverzicht gelang mir das ja auch einigermaßen. Aber ich brauchte Kaffee und Zigaretten, und auch Malte hatte mich davon noch nicht abbringen können.
Wir waren seit mittlerweile einem halben Jahr einPaar. Ich war schon eine ganze Weile bei Studio Berlin, als wir uns zum ersten Mal über den Weg liefen. Ich kämpfte gerade mit dem Kopierer, während er vom gleichen Gerät ein Fax absenden wollte. Leider hatte ich beim Scannen eines handgeschriebenen Drehplans eine Tackernadel übersehen, die nun im Einzug klemmte und im Display des Geräts eine angsteinflößende Fehlermeldung aufblinken ließ. Ich war schon kurz vorm Verzweifeln, doch Malte brauchte nur ein paar Minuten, und meine Befürchtung, das zigtausend Euro teure Gerät von meinem Minigehalt ersetzen zu müssen, erwies sich als unbegründet. Ich war Malte zutiefst dankbar. Dies war der Tag, an dem ich meine erste eigene Haftpflichtversicherung abschloss – sicher war sicher. Und gleichzeitig war es mein Glückstag, denn nach Drehschluss lud Malte mich ein, mit ihm und ein paar Kollegen auf ein Glas Wein in eine Biobar zu gehen. Ich kannte das Lokal noch nicht und war überrascht, auf was man alles achten musste, wenn man Wein ökologisch korrekt produzieren und vertreiben wollte. Die Bar faszinierte mich. Sie war von diesem Tag an eines meiner Lieblingslokale, und da auch Maltes Sachkenntnis mich faszinierte – und
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