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Amras

Titel: Amras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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und die Erde Fragment … daß die ganze Entwicklung Fragment ist … die Vollkommenheit nicht ist … daß die Fragmente entstanden sind und entstehen … kein Weg, nur Ankünfte … daß das Ende ohne Bewußtsein ist … daß dann nichts ohne dich und daß folglich nichts ist …
    Die Menschen, die sterben, ohne ihre Krankheit gekannt zuhaben, ihre Todeskrankheiten … Walters Krankheit, die Krankheit unserer Mutter … das unsere ›Tiroler Epilepsie‹ umgebende Rätsel … niemand nimmt seine Todeserkrankung wahr … das Leben wäre dann unerträglich, nicht mehr eine Oenothera Lamarckiana.
    … alles eine Frage allerkürzester Zeit, nicht des Temperaments … in dem: ich kann mich erinnern, bin ich gescheitert, damals wie heute.
    Grandissimi fiumi corron sotto terra
    In der Herrengasse das Zimmer, in dem die Theaterkostüme aufgehängt waren: Pantalone, Columbine … Unsere Tragödien, Lust spiele, Schau spiele … bayrisch-italienische … wie gern wäre ich auf dem Dachboden bei den Kostümen, aber es ist mir verboten, ›unser‹ Haus zu betreten … Unser Onkel hat es ›aus gutem Grund‹ nicht ersteigert …
    Als hätten allein die Holzfäller ein Recht auf die Landschaft … ich hätte kein Recht darauf … Wenn ich ihnen sagte, wozu ich gar nicht imstande bin … überhaupt kein Recht , wie?
    … wenn ich von mir aus von ihnen abgehe …
    Der Vater, ein unglücklicher Mensch wie die Mutter, nur durch die Mutter; durch die Mutter dann die Familie … als Meran noch die Hauptstadt war, könnte ich sagen … Handel, akademische Grade, eine gewisse weltliche Kirchenfürstlichkeit … im Umgang mit Menschen spendabel großinquisitorisch … Kutschen, Reitpferde, Jagden mit dem Primas Germaniae … die vielen Künstler im Sommer zu Hause, die vor uns immer verachteten … Die Künstler, die Erbärmlichen (Vater) … Exzesse, Bruch mit der Kirche, Krieg … in Zusammenhang mit den Großvätern dieNamen Cattaro, Solferino, Pontebba, Venedig, Riva, Monte Cimone … Der Vater gebrauchte oft das Wort London; Paris haßte er … ›Das Unglück, in das wir hineingestürzt worden sind ‹ (Vater).
    Alles auf ein paar Grabsprüche auf dem Wiltener Friedhof zusammengeschrumpft.
    La vita bene spesa lunga è
    Aldrans 18. XI.
    Lieber Onkel, ich habe heute vom Internisten eine Rechnung über fünfundvierzigtausend Schilling bekommen, die nachzuprüfen, dann aus dem Flirsch-Konto zu liquidieren ich Dich … wie auch um den richtigen Namen der Dame, die beim Begräbnis Walters gewesen ist und die Du, wie Du sagst, noch aus Padua kennst, herzlich bitte …
    An ganz gewöhnlichen Tagen ließ unser Vater einspannen … in dem für den Winter umgebauten Landauer über den zugefrorenen Achensee … die Rösser haben sich kaum an der Eisfläche einhaken können … manchmal wache ich auf, denn ich hatte stundenlang das Hämmern ihrer zuerst hilflosen, dann plötzlich rasenden starken Hufe im Ohr …
    ›Wenn man sich auch noch Köchin und Hausmeister und Gärtner und eine zweiundzwanzig Jahre lang kranke Frau leisten kann …‹ (Lugger).
    Heimlich, dachte ich schon in der frühesten Kindheit, gehe ich aus der Welt … ganz allein bin ich von ihnen allen übriggeblieben.
    Ich hätte auch eine ganz andere Entwicklung nehmen können ohne Walter … Es stimmt nicht, wenn ich dort bin, es stimmt auch nicht, wenn ich da bin … Mit dem Überschreitender (unsichtbaren) Grenze ist immer alles verloren … Weil ich dann doch Partei ergreife …
    Herrn L. T. in Rum
    Verehrter Herr, in Ihrem, unserer Verlassenschaft in der Innsbrucker Herrengasse 6 entstammenden Besitz befinden sich auch mehrere Klavierauszüge meines verstorbenen Bruders Walter, wie ich weiß auch solche mit dem Namenszug Michael Haydns, vor allem eine mir wertvollste des ›Titus‹ von Mozart; auch ein Exemplar der ›Zaide‹. Vor allem bin ich an der Wiedererwerbung unserer Hofhaymer-Ausgabe interessiert, und ich bitte Sie, mir anzudeuten, auf welcher Grundlage eine Verhandlung zwischen uns, die genannten wie die anderen Stücke aus der Ihnen vom Bezirksgericht übergebenen Sammlung meines Bruders betreffend, in Betracht kommt …
    Auf dem Weg ins Forsthaus zurück fällt mir ein, wie gut es ist, gar kein Recht mehr zu haben … so gehe ich längere Zeit in diesem Gedanken im Kreis.
    Wie den Wilddieb von voriger Woche schauen mich alle an; als Kinder ist für uns das Unheimlichste wohl ein Mensch gewesen, von dem gesagt worden ist, er wäre ein Wilddieb, ein

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