Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
Ihr macht einen entspannten Eindruck, finde ich, wenn ich euch so ansehe.
Bleibt ganz entspannt, ich selbst aber, solltet ihr wissen, habe enorm viel Arbeit. Da sehe ich Leute, unbekümmert vor sich hin pfeifend, durch die Straßen schlendern und mal rechts, mal links einen Moment verweilen, während ich in ebendiesem Augenblick enorm viel Arbeit habe.
Ich hätte, unter uns gesagt, nichts dagegen, wenn ich sie loswerden könnte. Wenn ich sie kurz packen, an einen Baum binden und mich so schnell wie möglich aus dem Staub machen könnte. Und da sollte mich erst mal einer kriegen.
Doch ich kann nicht, ich habe zu tun.
Ich nehm’s euch ja nicht übel, aber es ist ein wenig eure Schuld. Gewiss doch. Erinnert euch bitte, während ich pfeifend durch die Straßen laufe, beschäftige ich mich pausenlos mit eurem Leben und diesem und jenem. Während ich, die Hände in den Taschen, anscheinend herumbummle, wache ich über euch undmache mir Gedanken über eure Probleme, mit der rastlosen Beharrlichkeit eines Zugochsen, der stur und würdevoll seine Furchen zieht. Ihr müsst zugeben, ein nicht ganz alltäglicher Fall, da habt ihr Glück. Ich, nebenbei gesagt, auch, weil ich bei dieser Gelegenheit ja mich selbst im Blick habe, da uns am Ende alles Menschliche gemeinsam ist.
Diese kleine zoologische Übereinstimmung ist es übrigens auch, die mich auf den Gedanken brachte, mich mit den Sorgen anderer Leute zu beschäftigen.
Ein hartes Stück Arbeit, das mir erspart geblieben wäre, wenn die Natur, als sie sich über die Wiege der Menschheit beugte, uns die Gabe verliehen hätte, unsere Probleme auf freiem Feld unbemerkt fallen zu lassen, nie gesehen, nie gekannt. Oder sie auf einer Brache zurückzulassen. Oder sie nächtens in einen Gully zu stopfen, an ein Bahngleis zu ketten, unauffällig über die Reling zu werfen, nie gesehen, nie gehabt. Aber die Natur hat das nicht erlaubt. Vielleicht aus Gedankenlosigkeit, vielleicht aus Knickrigkeit oder auch um uns zu ärgern. Sinnlos, sich darüber noch aufzuregen, Fakt ist: Wir können unsere Probleme weder von uns werfen noch sie mit einer Metallsäge zerkleinern und in Müllsäcke stecken, um siedann ganz diskret irgendwo in der freien Natur zu entsorgen. Ich kenne etliche Leute, die das versucht haben, sie waren voller Hoffnung, aber leider schlecht informiert über die Sitten und Gebräuche von Sorgen. Und wurden grausam enttäuscht.
So dass wir uns über eins von vornherein im Klaren sein sollten: Der Ärger lebt auf dem Menschen und pflanzt sich auf ihm fort wie unser räuberisches Insekt, der Floh. Ich weiß, manch einer unter euch würde gern den wahren Namen dieses Flohs erfahren und noch mehr über die Sitten und Gebräuche dieser kleinen Siphonaptera wissen. Doch ich zögere. Ich fürchte, die Sache führt uns zu weit. Eins immerhin lässt sich sagen, im Gegensatz zu unserem Floh, einem ja eher launigen Gesellen, der als Schmarotzer auch noch auf anderen Tierchen lebt wie dem Dachs oder dem Schakal, befällt der Ärger strikt nur den Menschen. Was, zugegeben, nicht gerade toll ist. Ich kenne Leute, die versucht haben, ihre Probleme einem Dachs aufzuhalsen, und sich die Zähne daran ausgebissen haben. Außerdem lässt sich, im Unterschied zum Floh, der Ärger nicht im Badewasser ersäufen. Dieses Hausmittel betäubt ihn nur vorübergehend. So viel zur Erinnerung an den wissenschaftlichen Kontext, um unsere Überlegungen etwas genauer abzusteckenund zu begreifen, dass der Ärger sich von Natur aus und auf Dauer dem Menschen an die Frackschöße hängt, außer in so seltenen Augenblicken der Gnade wie der Liebe, die für sich allein schon ein enormes Problem darstellt.
Wir müssen unsere Probleme also zwangsläufig mit uns herumschleppen, am besten zu einem großen Bündel geschnürt und ans äußerste Ende eines Stocks geknotet. Diese zuverlässige bäuerliche Beförderungstechnik hat sich bewährt. Versucht es gar nicht erst mit dem Koffer, dem Karton, dem Handwagen, alles wenig flexible und für den Transport von Problemen ungeeignete Geräte. Bleibt beim Stock, locker über die Schulter gelegt nach der sogenannten »Wandervogelmethode«. Als Variante bietet sich an, die Probleme auf zwei Bündel zu verteilen und sie jeweils an einem Ende des Stocks zu befestigen, den man entweder auf einer Schulter trägt, »Wasserträgermethode« genannt, oder quer über beiden Schultern, das wäre die »chinesische Methode«. Die erste drückt auf den Trapezmuskel, die zweite
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