An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
ist ein wenig komplizierter. Und genau darin liegt unsere Chance. Wenn sie das bereits ein Jahr lang tut, dann müssen sich allmählich, ich nenne es mal: Risse in der Struktur bilden. Sie kann diese anstrengende Arbeit nicht tun, ohne dass sie Spuren hinterlässt. Vielleicht konnte sie das noch vor ein paar Wochen, aber es muss ihr immer schwerer fallen. Selbst ihre Kraft ist begrenzt.“
„Aber Jetta“, wandte ein schmächtiger Gehirnchirurg ein (Sujetta HASSTE es, wenn man sie so nannte!), „das ist doch alles reine Spekulation. Wie lange ist es her, seit sie aus dem Labor floh, fünf Jahre? Niemand von uns weiß, wie weit sie sich inzwischen entwickelt hat. konnte sie damals nicht auch unbemerkt damit beginnen, den Zeitstrom zu manipulieren? Und nicht einmal du oder Dymekon – er ruhe in Frieden – habt das vorhergesehen.“
„Aber wir haben immerhin Gegenmaßnahmen ergriffen!“, schnappte Sujetta.
Der Chirurg verzog geringschätzig seinen schmalen Mund.
„Ist es eigentlich sicher, dass Dymekon tot ist?“, erkundigte sich eine Systemanalytikerin.
Eric zuckte die Achseln. „Ohne die Aufzeichnungen aus dem AMT werden wir das nie wissen. Wir brauchen sie unbedingt.“
„Und wenn B.C. sie vernichtet hat?“
„Nun, dann haben wir immer noch einen Augenzeugen, der höchstwahrscheinlich kein Opfer dieser Amnesie geworden ist.“
„Höchstwahrscheinlich?“, knurrte der Molekulargenetiker unzufrieden. „Nichts Konkretes! Ich hatte gehofft, wir seien hier zusammengekommen, um endlich von einem echten Durchbruch in unseren Bemühungen zu hören!“
„Ungeduld ist die schlimmste Untugend eines Wissenschaftlers“, sagte Sujetta zurechtweisend. „Wie ich schon vorhin andeutete, geht es letztlich nur darum, das, was B.C. erschaffen hat, für uns nutzbar zu machen.“
„NUR, sagst du.“ Der kleine Gehirnchirurg schüttelte den Kopf.
Ohne diesen Einwurf zu beachten, fuhr Sujetta fort: „Sie hat beeindruckende Leistungen vollbracht und offenbar große Geheimnisse enträtselt. Das wird uns all unseren Zielen mit einem Schlag näherbringen – wir müssen lediglich auf ihren Zug aufspringen!“
Bei dem Wort „Zug“ zuckten sämtliche Mitglieder des Zentralrates synchron zusammen, Eric ausgenommen, und dann fuhr der Psychotechniker zornig auf: „Sie ist viel zu gefährlich, verdammt! Sie ist eine wandelnde empathische Bombe, und ihr zwei redet davon, sie lebend hierherzubringen! Das kann nicht euer Ernst sein!“ Zustimmende Rufe der übrigen Silbernen Weisen folgten seinen Worten.
Sujetta spürte, dass sie vor Zorn anfing zu kochen. War sie zunächst auch eher dafür gewesen, B.C. zu töten, sjo schlug ihre Meinung angesichts dieser kollektiven Reaktion spontan um, und sie war nun mehr als bereit, Eric zu unterstützen.
Eric sprang auf und hieb mit beiden Fäusten auf die Tischplatte. „Oh doch, das IST unser Ernst, und ich garantiere euch, dass es KEINE PROBLEME geben wird! Mein Toxikologenteam arbeitet bereits mit Hochdruck daran, sie in den Griff zu bekommen, und sie werden nicht ruhen, bis diese Aufgabe erfüllt ist. Wir rüsten die Garde derart aus, dass nicht einmal B.C. auch nur den Hauch einer Chance hat, sich zu wehren.“
„Allein ihre Augen sind tödliche Waffen“, gab die Neuro-Ingenieurin zu bedenken und rang nervös die Hände.
„Ja, ist denn die Zentrale der Silbernen Weisen zu einer Ansammlung von Feiglingen degeneriert?!“, donnerte Eric da stimmgewaltig. „All eure Einwände sind zaghaft und erbärmlich! Sujetta hat völlig recht: Es ist eine einmalige, niemals wiederkehrende Chance! Erkenntnisse über Zeit und Empathie, über die ganze Macht jener Gehirnregionen, die bislang weiße Flecken auf der Landkarte des Geistes waren – wollt ihr euch all das etwa entgehen lassen? B.C. ist kein Monster, sondern ein von uns erschaffenes, höchst wertvolles Exemplar! Eine Hypermutantin, gewiss, nicht weniger, aber auch nicht mehr! Sie gehört uns für immer und ewig, und es wird höchste Zeit, dass auch ihr das wieder bewusst wird. Soll uns eine Kreatur, die unserer Genialität entsprungen ist, so auf der Nase herumtanzen dürfen, wie sie es tut?“
Nicht schlecht, dachte Sujetta verblüfft, und sie registrierte, wie der Widerstand ihrer zweiundzwanzig Kollegen nachließ. Eric hat einen Nerv getroffen, und noch dazu gibt er ihnen das Gefühl, sie alle hätten direkt daran mitgearbeitet, B.C. zu erschaffen. Dabei waren es im Grunde nur wir drei: Dymekon, Eric und
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