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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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Mahlzeit, und noch nie hatte Oi etwas so sehr genossen.
    Bonea strahlte ihn an. Auf den Knien hielt sie die Trommel, die Oi für sie gemacht hatte. Sie bestand aus einem hohlen Baumstumpf und einem Stück Rattenfell aus Faruks Gewand, straff gespannt.
    Nachdem alles bis auf das letzte Krümelchen verzehrt und auch der letzte kleine Knochen abgenagt war, sagte Bonea: „Mein Freund Two Vocals, du musst ein Krieger sein. Und glaube mir, das ist nicht so schwer wie du denkst. Bei uns im Outland wachsen wir alle auf mit dem Kampf, hier ist das anders, ich weiß; jemand wie Faruk kennt sich auch darin aus, und selbst du hast schon einige Kampferfahrung. Und du bist so stark wie ein Stier.“
    Sie schwieg einen Moment. Faruk jonglierte mit seinen Kieselsteinen und stieß dabei sein seltsames Lachen aus.
    „Wir alle kennen auch die Angst vor der Schlacht. Aber wir, die wilden Horden im Outland, wir haben ein Mittel dagegen. Wir wenden es an vor besonders wichtigen Kämpfen. Komm mit, Two Vocals.“
    An einem Sumpfloch in der Nähe des Feuers kniete sie nieder und holte mit beiden Händen blauschwarzen Schlamm daraus hervor, mit dem sie Ois Gesicht und seine Glatze zeichnete. Sie bemalte ihn mit bizarren, gezackten Mustern, und er hielt ganz still. Dann kam der grinsende Faruk an die Reihe und zum Schluss malte Bonea ihr eigenes Gesicht mit rätselhaften Zeichen an. Ihre Hand war sicher, ohne dass sie einen Spiegel brauchte.
    Sunny schnürte neugierig heran und besah sich das. Menschen waren wirklich sonderbar … Bonea bewarf die Katze kichernd mit einem winzigen Schlammklümpchen, dem Sunny geschickt auswich. Sie schüttelte ihre Pfote und sprang in weiten Sätzen davon.
    Die drei Freunde holten noch mehr brennbares Gerümpel, woran es keinen Mangel gab und warfen es in die Flammen, bis das Feuer hell und meterhoch aufloderte. Feierlich reichte Bonea den beiden anderen ihr Marmeladenglas mit Wasser aus dem Bach – sie hatte einige Kräuter und ein paar Steine rituell hineingetan – und sie tranken, einer nach dem anderen.
    Und dann begann das Mädchen zu trommeln.
    Faruk konnte es zwar nicht hören, aber er spürte die Schwingungen und er begann ihnen selbstvergessen zu folgen, sich danach zu bewegen, und er fühlte die Vibrationen der Erde unter seinen bloßen Füßen. Auf Oi jedoch hatte der Trommelklang eine viel intensivere Wirkung: Er ging ihm direkt ins Blut. Er fing ebenfalls an zu tanzen, beinahe gegen seinen Willen oder ohne zu wissen, was mit ihm geschah – schwerfällig zunächst, dann immer rhythmischer und wilder.
    „Trinke den Mond und sei stark!“, sang Bonea. Sie sang diesen Satz immer und immer wieder und ihre Stimme vermischte sich mit dem dunklen Wirbeln der Rattenfelltrommel, bis Faruk und auch Oi jedwede Kontrolle fahren ließen und in Ekstase gerieten.
    Auch Bonea zuckte es in den Füßen und Beinen, und schließlich, als Oi zu taumeln begann, drückte sie ihm die Trommel in die Hand und tanzte selbst. Sie stieß kleine Schreie aus und drehte sich so ungehemmt um das Feuer, dass Ois Herz schneller klopfte, während er ihr zuschaute. Dafür, dass er das erste Mal in seinem Leben eine Trommel schlug, machte er seine Sache recht gut.
    „Trinke den Mond und sei stark!“, rief er mit rauer Stimme.
    Bonea schlug ein Rad, dann sprang Faruk über sie hinweg, und sie tanzten umeinander, miteinander, mit einem Schuss Gewalttat und großer Anmut.
    Das Ritual dauerte Stunden, aber sie merkten es nicht. Sie waren der Wirklichkeit entrückt und am Ende in berauschender Trance.
    Sunny hatte sich an einen etwas stilleren Ort verzogen. Die Menschen waren wirklich verrückt. Andererseits, wenn sie, Sunny, daran dachte, welche Wirkung Katzenminze auf sie hatte …
    Das Feuer brannte nieder und hinterließ Asche und eine lange währende orangefarbene Glut, die ausreichte, sie alle drei zusätzlich zu wärmen, als sie erschöpft ins Gras niedersanken und einschliefen, eng aneinandergekuschelt.
    Schützend legte Oi seine starken Arme um die Kinder, die bereits schliefen. Dann fielen auch ihm die Augen zu.
    Nur Sunny blieb wach. Sie lag in der Nähe der drei Menschen, putzte sich und schnurrte leicht.
    Schlaft …
     
     
    Ende von Teil II
    Fortsetzung ist in Arbeit, erscheint bald

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