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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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einen schauerlichen Reigen begannen. Necron raffte seinen unersetzlichen Stoff an sich und sprang die Treppe hinunter.
    Die sechs Pferde waren nahe daran, durchzugehen.
    Sie keilten aus, senkten die Köpfe und rissen sie mit wild rollenden Augen wieder hoch. Schaum tropfte von den Gebissen. Als sie ihren Herrn heranrennen sahen, setzten sie sich fast gleichzeitig in Bewegung.
    Necron lief einige Meter neben dem Schrein einher, wandte sich blitzschnell um und sah, daß er von den Ödlingen und Lodar verfolgt wurde. Er warf den Stoffballen auf den Kutschbock, löste die Zügel und schwang sich hinauf. Mit der Peitsche schlug er über den Schrein hinweg nach hinten. Die schneidende Peitschenschnur hielt die Verrückten einen Moment lang auf, Zeit genug, daß das Gespann Fahrt gewann und auf die kleine Brücke zudonnerte.
    Necron lenkte das Gespann nach links. Die Verfolger waren zurückgeblieben. Schleudernd ratterten die Räder des Schreines zurück auf einen Pfad. Hinter Necron dröhnte der Boden. Bäume schwankten, ihre Zweige brachen krachend, als zwischen ihnen ein Yarl auftauchte, ein mittelgroßes Tier, dreimal so lang oder länger als das gesamte Gespann. Flüchtig sah der Alleshändler die dunkelgrauen Aufbauten und die Bewaffnung der Nomadenkrieger. Sie bestanden aus dem Goldenen Staub… Odams Patrouille!
    »Necron«, sagte er ächzend zu sich selbst, »jetzt geht es um dein Leben.«
    Die Peitsche traf die Graupferde. Wiehernd stemmten sie sich ins Geschirr. Das Gespann wurde schneller und schneller, und entlang eines Wäldchens aus schütteren Gewächsen begann eine rasende Jagd durch die Dunkelheit. Das Dröhnen, mit dem der Yarl seine mächtigen Klauenfüße aufsetzte, wurde nicht leiser, und das scharfe Brechen und Knacken der Äste war eine schauerliche Begleitmusik zu der wilden Fahrt. Die Körper der Pferde hoben und senkten sich, und Necron wurde auf dem Kutschbock hilflos in die Höhe geworfen, zurückgestaucht und rutschte hin und her. Mit beiden Beinen stemmte er sich fest, öffnete den Deckel einen Spaltbreit und schob den Samt in die Kiste hinein.
    Die Krieger Odams schrien unverständliche Befehle. Der Pfad, der sich durch die Düsterzone in westliche Richtung schlängelte, verbreiterte sich zu einem niedergetretenen, trockenen Sturzacker. Hier war zweifellos vor kurzem ein Yarl entlanggerast und hatte den Weg geebnet. Das Gespann gewann einen geringfügigen Vorsprung. Wieder blickte Necron, als er hochgeschleudert, wurde, angstvoll nach hinten. Die Sorge um alle seine Schätze, den Schrein und die Pferde beherrschte seine Gedanken.
    Der Yarl war um eine Bogenschußweite zurückgefallen. Er war voller Krieger, die zwischen den gewachsenen Aufbauten kauerten und ihre Waffen in seine Richtung, reckten.
    Zweifellos verfolgten sie ihn bewußt.
    Dampf schien aus den Nüstern der Pferde aufzusteigen, als Necron wieder seine Peitsche einsetzte und gellende Kommandos schrie. Er holte alles aus den Tieren heraus, was sie an Kraft und Schnelligkeit besaßen. Er mußte den Schlackenhelm-Kriegern entkommen und diesem riesigen Tier, das ihn mit einem einzigen Schritt zermalmen konnte.
    Plötzlich passierte wieder etwas mit Necrons Augen. Zwei, drei Herzschläge lang sah er nichts als pechschwarze, flimmernde Dunkelheit.
    Dann tauchte ein Bild auf, das ihn gleichzeitig erschreckte und hoffen ließ. Er versuchte, einen Zauber einzusetzen, aber das Bild blieb.
    Ein gewaltiger Zug aus mehreren tausend Kriegern erstreckte sich bis zu einem fremden Horizont. Orhakenreiter waren zu sehen und andere, die auf Tokapis saßen. Auf den Fahnen zeichneten sich schwarze Tokapi-Silhouetten vor der roten Sonne des Shalladad ab. Riesige Urs zogen schwere Wagen hinter sich her, auf denen Ausrüstungsgegenstände und mächtige Ballen zu sehen waren. Unter den zahllosen Sohlen und Tierhufen stieg eine Staubwolke auf, die den gesamten Zug umfaßte und von einem schwachen Wind schräg abgetrieben wurde. Ein weiterer magischer Anfall bewirkte, daß Necron – plötzlich dorthin versetzt oder mit den Augen eines anderen? – einige Gesichter rings um sich herum wahrnahm: schwarzhaarig, bärtig, staubverkrustet und mit dunklen, kühnen Blicken. Burnusse und Sandumhänge flatterten. Und noch eines merkte Necron, ehe diese Vision abriß: alles erfolgte in absoluter Lautlosigkeit. Nicht einmal das Knarren riesiger Wagenräder war zu hören, die sich unmittelbar neben demjenigen drehten, durch dessen Augen Necron dieses Bild

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