Erst ich ein Stück, dann du! 3 Drachengeschichten - Themenband 4
Ein Drachenmärchen
Der kleine Drache Florian saß neben seiner Mutter und hielt den Blick starr auf das offene Feuer in der Höhlenmitte gerichtet. Seit gestern brodelte es besonders hoch und hell, denn seit gestern lag ein großes, grün geflecktes Ei darin, und nun wartete Florian gespannt darauf, dass es aufplatzte und sein Bruder herausschlüpfte.
„Duuu, Mama?“, fragte er. „Wo kommen eigentlich die Dracheneier her?“
„Ach, mein Junge!“ Drachendame Dolly seufzte tief. Sie hatte einen großen Topf über das Feuer gehängt und rührte mit einem langen Löffel in der Pfeffersuppe herum. „Das ist nicht so leicht zu erklären.“
„Versuch es“, bat Florian.
„Ich möchte es so gerne wissen.“
„Ja, ja, ja“, sagte Dolly ungeduldig.
„Lass mich kurz nachdenken.“
„Wo hast du dieses Ei her?“, fragte Florian und deutete
auf das Feuer. „Und wie lange dauert es, bis mein Bruder herauskommt?“
„Nun“, meinte seine Mutter gedehnt. „Es könnte auch eine Schwester sein.“
Darüber hatte der kleine Drache noch gar nicht nachgedacht und nun überlegte er, was in einem solchen Unglücksfall zu tun wäre. Sein bester Freund Bruno hatte nur Brüder. Bestimmt lachte er Florian aus, wenn er plötzlich mit einer Schwester daherkäme.
Argwöhnisch beäugte er das Ei. „Kann man von außen erkennen, ob ein Junge oder ein Mädchen darin steckt?“, erkundigte sich Florian.
„Na ja“, begann Dolly.
„Jungseier sind ein wenig runder
und Mädcheneier etwas eieriger.“
Florian fand, dass das Ei, das seine Mutter zum Brüten ins Feuer gelegt hatte, ziemlich eierig aussah.
„Wo hast du es her?“, fragte er noch einmal.
„Nun“, sagte Dolly und rieb sich nervös über ihr Schuppenkleid. „Ich habe es gefunden.“
Der kleine Drache sah sie erstaunt an.
„Gefunden?“, fragte er.
Seine Mutter nickte.
„Jawohl, gefunden“, bekräftigte sie.
„Wo?“, wollte Florian nun wissen.
„Im Wald“, antwortete Dolly.
„Gut“, sagte der kleine Drache, denn jetzt wusste er, was er zu tun hatte. „Ich geh noch ein bisschen raus. Vielleicht treffe ich Bruno zum Spielen.“
„Das ist eine tolle Idee“, erwiderte seine Mutter. „Ich koche derweil die Pfeffersuppe fertig. Ich hoffe, du bringst nachher ordentlich Hunger mit nach Hause.“
„Klar“, sagte Florian.
Fröhlich trabte er aus der Höhle
und schlug den Weg in den Wald ein.
Er sprang über Baumstümpfe, wuschelte in Farnbüschen herum und hangelte sich an tief hängenden Ästen entlang. Der kleine Drache hielt seine Augen weit offen und suchte überall. Er durchwühlte Blätterhaufen, steckte seine Pranke in hohle Baumstämme und hob schließlich sogar das Moos an, aber ein Ei wollte sich nirgends finden lassen.
Schließlich richtete Florian seinen Blick in die Baumkronen. Womöglich legten die Eier keinen Wert darauf, entdeckt zu werden, und hielten sich an Stellen verborgen, an die ein Drache nicht so leicht hinkommen konnte. Natürlich! Das hatte Mama damit gemeint, als sie sagte, dass die Sache mit den Dracheneiern nicht so einfach sei.
Plötzlich bemerkte er in einer Astgabel eine Reisigkugel aus verdorrten Zweigen, Gräsern und Federn. Florians Herz machte einen Hüpfer. Wenn das kein vortreffliches Versteck für ein Drachenei war!
Er legte seine Pranken
um den Baumstamm.
Florian rüttelte und schüttelte.
Doch der Stamm bewegte sich nicht.
Er war zu dick und zu stark.
Aber der kleine Drache war auch stark. Er nahm Anlauf und warf sich mit voller Wucht gegen den Baum. Der Stamm zitterte und wackelte. Die Blätter in der Krone rauschten und die Kugel rollte hin und her.
Plötzlich sprang sie vom Ast herunter.
Sie drehte sich in der Luft
und etwas Blaues fiel heraus.
Es landete genau in Florians Pranke.
Es war ziemlich klein, aber es sah aus wie ein Drachenei und es war nahezu kugelrund. Vorsichtig schloss der kleine Drache seine Pranke darum und lief, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen, nach Hause.
Als die Höhle in Sichtweite kam, stoppte er. Ob Mama es ihm überhaupt erlauben würde, das kleine blaue Ei neben das grüngesprenkelte zu legen? Vielleicht wollte
sie nur ein neues Drachenkind und würde von Florian verlangen, dass er dieses hier wieder in den Wald zurücktrug. Bestimmt war es besser, wenn er seinen Bruder selbst ausbrütete.
Schnell suchte er
trockenes Holz zusammen.
Er schichtete es auf einen Haufen.
Florian holte tief Luft, bis es in seiner Brust zu brodeln begann. Dann
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