Analog 06
wissen – viel zu groß geworden war und viel zu Vielfraß. Sie bemühten sich, es auf seine Irrtümer aufmerksam zu machen, doch ungeachtet seiner Größe und Zahl an Jahren war es ziemlich dumm geblieben. Bis es das Offensichtliche nicht mehr länger ignorieren konnte und versuchte, in den Großen Ozean einzudringen, wo das Älteste, das Erste, noch lebte. Doch dieses Ungeheuer verfügte nun über viele kleine Sklavenungeheuer, starke Kämpfer, die das große Kind gemeinsam töteten.
Daraus ergaben sich für die anderen Geschöpfe keine zwingenden Probleme, doch einige dachten besorgt über die Persönlichkeit ihres geheimnisvollen Nachbarn nach, der niemals hervorkam, um sich ihrer Gemeinschaft anzuschließen.
Jahrtausende später wurden ihre schlimmsten Träume Wirklichkeit, das Ungeheuer griff an. Zuerst vergiftete es insgeheim zwei ihrer Art, um jedmöglichen Vorteil zu erringen, dann sammelte es seine Krieger um sich und begann mit der Invasion. Doch die Geschöpfe hatten immer nur in Frieden gelebt, sie wußten nichts von Kämpfen. Sie hatten keine natürlichen Feinde in den Meeren, denn sie waren bis zu diesem Zeitpunkt zu groß und zu stark gewesen …
Das Ungeheuer tütete sie alle.
Alle, bis auf eines, das weit dem Lauf des Flusses gefolgt war und sich zu jener Zeit in einem breiten Hochlandsee aufhielt. Diesem gelang es, die Sklaven jenes Ungeheuers glauben zu machen, sie hätten es getötet, und das meldeten sie auch.
Nun wäre das Geschöpf im See wirklich sehr einsam und unglücklich gewesen, hätte es nicht die Freundschaft eines ganzen Schwarmes winzigkleiner Wesen besessen, die zwischen den Felsen am Seeufer lebten und die ihm bei der Vertreibung der Kämpfer unschätzbare Dienste geleistet hatten. Es wußte um die Intelligenz dieser kleinen Geschöpfe, wenn sie auch nicht sprachen wie sein eigenes Volk, und es dachte, daß es in ihnen vielleicht etwas gefunden hatte, das sich nach Ablauf vieler Zeiträume in eine Waffe der Rache an dem Ungeheuer verwandeln ließ. Denn wenn seine kleinen Freunde jemals ein Stadium erreichten, in welchem sie über das Meer zu anderen Ländern reisen wollten, würden sie sich mit dem Ungeheuer auseinandersetzen müssen. Daher beschützte es sie, so daß ihre Zahl ständig zunahm, und sie und das Geschöpf wurden im Lauf der langen Jahre, in denen die Sterne am Himmel ihre Bahnen zogen, mächtig, was Kraft und Weisheit betraf.
Noch irgendwelche Fragen?
„Es ist eine außergewöhnliche Erfahrung, die Grundlagen des eigenen Glaubens auf solche Weise erzählt zu bekommen, als wären es die Mythen ausländischer Barbarenstämme, die keinen echten Gott zum Vorzeigen haben.“
„Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr aufgewühlt, kleine Grünauge.“
„Nein, ich glaube nicht. In gewisser Weise bin ich sogar … erleichtert!“ Ein Aufglühen von Orange und Grün: überraschtes Begreifen. „An manchen Stellen ist diese Geschichte sogar glaubwürdiger als die alte.“
„Gut. Die Dämmerung ist nahe, kleines Geschöpf. Du gehst nun besser nach Hause zurück. Tut mir leid, daß ich so lange brauche, etwas zu sagen … Oh, noch etwas. Mein erster neuer Befehl an dein Volk: Sag ihnen, sie sollen mit dem Heranzüchten von langen und flexiblen Mündern beginnen. In einigen Generationen werde ich noch andere Aufgaben für sie haben.“
„… Wie?!“ Eine spiralförmige graue Wolke.
„Eure Pinzettenklauen sind für einige Aufgaben bewundernswürdig geeignet, und ihr könnt wahrlich ausgezeichnete Arbeiten mit ihnen vollbringen. Oftmals erfüllt mich Bewunderung für die Gaben, die mir eure Kunsthandwerker anfertigen. Und doch – sie sind nicht fein genug für gewisse Dinge, die mir vorschweben. Ich habe lange darüber nachgedacht, und die Münder scheinen mir die einzigen geeigneten Körperteile zu sein.“
„Aber … aber Gott … Himmelssänger … Großmächtiger … Wie kann man denn gewisse Eigenschaften ‚züchten’?“
„Oh ja, ihr seid wenig bewandert in der Weitergabe genetischer Informationen. Dadurch seid ihr anpassungsfähig geblieben. Sag mir, eure Sies konkurrieren doch untereinander um die weichsten und sandigsten Orte, um ihre Eier abzulegen, richtig? Würde man es als ein Privileg ansehen, sie am Ufer des Heiligen Wassers ablegen zu dürfen?“
„Selbstverständlich! Aber das erlauben die Priester nicht. Sie befürchten, daß eine gewaltige Völkerwanderung einsetzen würde, so daß das Ufer bald verwüstet und verunstaltet wäre,
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