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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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es.“
    „Doch was ist er dann, o Himmelssänger, der du doch weise bist?“ Sie war in ihrem Vertrauen Ös gegenüber soweit fortgeschritten, daß sie sich nun fast sicher fühlte, wenn sie hin und wieder eine dieser kleinen Herausforderungen aussprach.
    „Nun … ich habe mich schon gefragt, ob der Himmel … nicht einfach nur Himmel ist, ob es sich nicht einfach um Luft handelt, die endlos weitergeht. Selbstverständlich gibt es auch Gründe, die gegen diese Theorie sprechen …“
    „Und die Sterne sind nur eine andere Spezies der Himmelsgleiter?“
    „Oh nein. Sie sind … vermute ich wenigstens, etwas ganz anderes.“
    „Was denn?“
    „Du wirst mich auslachen, wenn ich es dir erzähle.“
    „Werde ich nicht!“ antwortete Wink gekränkt.
    „Wirst du doch.“
    „Wie könnte ich es wagen? Bitte sag es mir!“
    „Ich vermute, daß die Sterne eigentlich Sonnen sind so wie unsere, aber so weit entfernt, daß …“
    Sie lachte Ös aus. Doch in manchen Nächten schien Ös melancholisch zu sein und zu müde zum Sprechen, und dann sang Wink für Himmelssänger. Nach kurzer Zeit hatte sie das ganze Repertoire an Psalmen vorgetragen, und als Ös noch mehr hören wollte, da schimmerte sie zögernd einige der einfachen Volkslieder ihres Volkes, für deren Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit sie sich vielmals entschuldigte. Doch Ös mochte sie selbstverständlich. Schließlich gingen auch diese zur Neige. Daher komponierte sie selbst, doch sie mußte bald entdecken, daß die Muse nicht immer auf Wunsch hervorzulocken war. Die Priester sandten Novizen als Botschafter zu allen Stämmen der bekannten Welt, um Lieder und Geschichten für Gott zu sammeln. Es begann so etwas wie eine große Blütezeit …
    In manchen Nächten saßen Himmelssänger und Wink einfach nur beieinander und unterhielten sich, philosophierten, tratschten und spekulierten.
    „Wenn du nicht Gott bist“, fragte Wink einmal unvermittelt, „wer ist es dann?“
    Darüber dachten sie lange nach, da es sich hierbei immerhin um eine interessante Frage handelte, was zahllose Nächte erforderte.
    Und so verstrichen die Nächte bis zur Dämmerung, woraufhin sie zu ihren jeweiligen Nestern zurückkehrten, sie zum Schlafen und Träumen, Ös zum Nachdenken und um in einsamer Stille zu meditieren. Die Nächte zogen vorüber wie die Sterne, alle gleich und doch jede einzigartig …
     
    „… Mit deiner Erlaubnis, Himmelssänger, werde ich morgen etwas später kommen. Mich erfüllt der Wunsch, wieder einmal mit meinen Brutgefährten und Freunden zu sprechen. Ich habe sie … oh, schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen“, sagte Wink unbestimmt.
    „Selbstverständlich steht es dir frei zu tun, was du möchtest. Du solltest ohnedies nicht zulassen, daß ich dir soviel von deiner Zeit stehle, Kleines.“
    „Aber ich habe doch Spaß an unseren gemeinsamen Sitzungen, Himmelssänger, mein großer alter Freund“, antwortete sie sanft. „Ich unterhalte mich mit keinem lieber als mit meinem alten Gefangenen des Sees.“
    Mit Einbruch der Dämmerung des nächsten Tages verließ sie den Tempel durch das große Hauptportal und nicht durch den Pier-Altar. Die Straßen der Stadt Gottes schienen ungewöhnlich belebt zu sein, und doch öffnete sich immer eine Gasse vor ihr, als würde eine große, unsichtbare Klaue die Leute beiseite stoßen. Während sie sich einen Weg durch die nächtlichen Straßen bahnte, die vom Licht Tausender beiläufiger Unterhaltungen erhellt wurden, schien sich eine schimmernde Purpurwolke vor ihr auszubreiten, gefolgt von einer Woge der Lichtlosigkeit und ausdruckslosen dunklen Panzern. Dann senkte sich wieder Schatten über die Straßen.
    „Welche Nachricht bringst du von Gott, Hohe Herrin?“ blitzte jemand am Rand der Menge.
    Sie richtete gnädig beide Augenfühler in seine Richtung. „Nur die, daß Ös mit den Taten seines Volkes zufrieden ist“, antwortete sie in aufmunternden Lavendeltönen.
    Grellweiße Lichter explodierten um sie herum: Begeisterung.
    Wink kletterte den uralten Weg bis zu der Höhle empor, wo sie aufgewachsen und erzogen worden war.
    „Langfühler …! Ich bin’s, Wink! Ich komme zu Besuch, aber ich kann nicht lange bleiben.“
    Ein winziger, glitzernder und klappernder Schwarm von Junglingen strömte an ihr vorbei. Der größte von ihnen reichte gerade bis zu ihrem untersten Segment. Nostalgische Silberfünkchen flackerten über ihren Unterleib.
    „Langf…?“ rief sie scharf. Eine junge, ihr unbekannte

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