Analog 1
unweigerlich einsinken, während die gefrorenen Massen über ihm weiter abrutschen und ihn immer tiefer begraben würden. Er hätte dadurch vielleicht neue, wundervolle Formationen hervorgerufen, aber er hätte sie niemals zu Gesicht bekommen. Er mußte seine beschränkten Möglichkeiten aufwenden, um sich einen Weg nach oben zu bahnen, zu kratzen, um seine einzige Chance zu wahren, wieder ans Licht der Sterne zu gelangen.
Er machte sich daran.
Seine Schmerzen quälten ihn. Der Atem flog durch seine Lungen. Seine Kraft ließ nach und machte einem Zittern Platz. Er wußte nicht einmal, ob er sich nach oben oder nach unten bewegte. Blind und halb erstickt formte Scobie seine Hände zu Schaufeln und grub.
Die Anstrengungen waren kaum mehr zu ertragen. Er versuchte, ihnen zu entfliehen …
Sein Zauber war gebrochen. Seine Macht war zerfallen. Würde der Geist von Alvarlan in seinen Körper zurückschlüpfen, so könnte er über das nachgrübeln, was er gesehen hatte. Er würde hinter dessen Bedeutung gelangen. Dieses Wissen verhülfe den Sterblichen zu einer schrecklichen Macht über die Fehen. Der König erwachte aus seinem Schlaf und versuchte, Kendrick und die Entführte aufzuhalten. Er mußte schnell handeln. Ihm blieb nur noch so viel Zeit, um den Bann zu lösen, der die Tanzhalle aufrecht hielt. Sie war ein riesiges Bauwerk, aus Dunst und Sternenstrahlen erbaut. Aber darin hineingemauert waren große Blöcke aus den Eisbrüchen von Ginnungagap. Stürzten sie herab, würden sie den Ritter töten. Aber auch Ricia müßte den Tod erleiden, und das dauerte den König. Aber dennoch sprach er den Fluch aus.
Er wußte nicht, daß Fleisch und Blut oft größte Hindernisse unbeschadet überwinden kann. Sir Kendrick bahnt seinen Weg durch die Ruinen, um seine Ricia zu suchen und zu retten. Um nicht den Mut zu verlieren, denkt er an vergangene und zukünftige Abenteuer …
… und plötzlich riß die Dunkelheit auf. Vor ihm stand der Saturn im sanften Licht.
Scobie zog sich an die Oberfläche und blieb erschöpft und zitternd liegen.
Er mußte schnell aufstehen, egal wie sehr es auch schmerzte. Sonst hätte er sich von neuem ein Grab geschmolzen. Er erhob sich unter größten Anstrengungen und blickte sich um.
Von der Skulptur waren nur noch ein paar Vorsprünge und Abbruche übriggeblieben. Der Krater war zum größten Teil ein tafelglattes Weiß unter dem Himmel geworden. Die schattenlose Fläche erschwerte es, Entfernungen zu bestimmen, aber Scobie schätzte die neue Tiefe auf etwa fünfundsiebzig Meter. Alles um ihn herum war leer, vollkommen leer.
„Mark, kannst du mich hören?“ schrie er.
„Bist du es, Colin?“ meldete es sich in seinen Kopfhörern. „Was, in aller Welt, ist bloß passiert? Ich habe dich aufschreien hören. Dann sah ich, wie sich eine Wolke erhob und wieder senkte … und darauf war nichts als eine Stunde langen Wartens. Ist mit dir alles in Ordnung?“
„Ja, so ziemlich. Ich kann Jean und Luis nicht sehen. Ein Eisbruch ist mit uns abgestürzt und hat uns begraben. Bleib auf Empfang. Ich werde mich auf die Suche machen.“
Wenn er sich gerade aufrichtete, schmerzten seine Rippen weniger stark. Er konnte sich wieder recht gut, wenn auch nur vorsichtig, bewegen. Die beiden Schmerzmittel, die er in seinem Notgepäck mit sich führte, waren unnütz. Das eine war zu schwach und würde zu keiner spürbaren Linderung verhelfen; das andere war zu stark, es hätte ihn zu sehr benommen gemacht. Aber Scobie brauchte seine vollen Kräfte, um die Gegend abzusuchen. Bald fand er, wonach er Ausschau gehalten hatte: eine etwas abgesackte Stelle in dem aufgeworfenen schneeartigen Material.
Zu seiner Standardausrüstung gehörte auch ein Werkzeug zum Graben. Scobie biß seine Zähne zusammen und begann zu graben. Ein Helm erschien – hinter dem Visier war Brobergs Gesicht zu erkennen. Sie war gerade dabei, sich einen Weg nach draußen zu bahnen.
„Jean!“
„Kendrick!“ Sie kroch an die Oberfläche und umarmte ihn, das heißt, so weit dies mit dem Raumanzug möglich war. „Oh, Colin.“
„Wie geht es dir?“ brach es aus ihm hervor.
„Ich lebe noch“, antwortete sie. „Ich glaube, ich habe mich nicht ernsthaft verletzt. Wir haben der geringen Schwerkraft nun einiges zu verdanken … Du? Luis?“ Aus ihrer Nase tropfte Blut, und ein Bluterguß auf ihrer Stirn wurde violett, aber sie stand sicher auf ihren Füßen und sprach mit klarer Stimme.
„Bei mir funktioniert noch alles. Luis habe
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