Analog 1
sternenübersäten Himmel. Sie, eine verheiratete Frau in mittlerem Alter, und er, ein Einzelgänger, aber sonst kein ungewöhnlicher Mann, konnten ihre wahren Gefühle füreinander nicht mehr verbergen. Sie würden nicht mehr spielen; sie könnten es nicht.
Ihr Lächeln war von rätselhafter Tiefe. „Teurer Freund …“, begann sie.
Er unterbrach sie durch die Geste seiner erhobenen Hand. „Wir sollten, wenn nichts Wesentliches zu sagen ist, schweigen“, sagte er. „Dadurch sparen wir ein wenig Sauerstoff und bleiben etwas wärmer. Sollen wir versuchen zu schlafen?“
Ihre Augen wurden weit und dunkel. „Ich wage es nicht“, gestand sie. „Nicht, bevor ich nicht genug Abstand gewonnen habe. Jetzt würde ich wahrscheinlich wieder zu träumen anfangen.“
Charles Sheffield Die neue Physik
Listwolme ist eine kleine Welt mit einer dünnen, aber ständig bewölkten Atmosphäre. Seine Bewohner haben nie die Sterne gesehen, und sie haben auch keine Ahnung, daß es jenseits ihres eigenen Planeten irgend etwas gibt. Es existiert ein Hauptzentrum der Zivilisation, das bis vor rund hundert Jahren auf einen kleinen Oberflächenabschnitt beschränkt war; damals fand eine industrielle Revolution statt. Zum erstenmal wurde eine rasche Beförderung über weite Teile des Planeten möglich.
Die Umlaufgeschwindigkeit der Oberfläche von Listwolme beträgt weniger als zwei Kilometer pro Sekunde. Die auf die Entwicklung der Hochgeschwindigkeits-Oberflächenfahrzeuge folgenden Sitzungen der Akademie der Wissenschaften auf Listwolme sind nachstehend protokolliert.
Höhepunkt dieser Sitzungen bildeten unzweifelhaft die berühmten Auseinandersetzungen zwischen Professor Nessitor und Professor Spottipon.
Erste Debatte: In der Professor Nessitor die merkwürdigen Ergebnisse seiner Experimente mit Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen bekanntgibt und eine kühne Hypothese aufstellt.
Nessitor: Wie sich die Mitglieder der Akademie erinnern werden, begann ich vor einigen Monaten damit, in die Tristee zwei, das erste Fahrzeug, das sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, die mehr als zehnmal so groß ist wie die eines galoppierenden Schmitzpuff, hochempfindliche Meßinstrumente einzubauen. Das war nicht ganz leicht, da es zunächst erforderlich war, alle Erschütterungen auszuschalten, die durch den Bodenkontakt des Fahrzeugs zustande kamen.
Vor einigen Monaten fanden wir die richtige Kombination von problemloser Aufhängung und Erschütterungsdämpfung. Voller Aufregung brachte ich eines unserer Instrumente, eine empfindliche Federwaage, im Fahrzeug an, und wir fingen an, die Geschwindigkeit stetig zu erhöhen. Vielleicht haben Sie davon gehört, daß die Fahrer dieser Fahrzeuge von einem „Gefühl der Leichtigkeit“ bei Annäherung an die Hochgeschwindigkeit berichteten.
Werte Kollegen, dieses Gefühl ist keine Illusion! Unsere Instrumente zeigten eine entschiedene Gewichtsverminderung bei zunehmender Geschwindigkeit an. Es gibt eine Beziehung zwischen Gewicht und Geschwindigkeit !
(Als Nessitor innehielt, kam es in dem großen Saal zu einem Gemurmel der Überraschung und des Unglaubens. Professor Spottipon erhob sich.)
Spottipon: Professor Nessitor, Ihr Ruf ist über jeden Zweifel erhaben. Was bei jedem anderen Skepsis erwecken würde, wird in Ihrem Fall mit großem Respekt aufgenommen. Ihre Behauptung ist jedoch so erstaunlich, daß wir gern mehr über diese Experimente hören würden. Ich habe zum Beispiel über Phänomene des „Leichterwerdens“ bei hohen Geschwindigkeiten gehört, aber keine quantitativen Ergebnisse gesehen. Waren Ihre Waagen empfindlich genug, um das Verhältnis zwischen Gewichtsabnahme und Geschwindigkeit zu messen?
Nessitor (triumphierend): Mit großer Präzision. Wir haben das auf der Waage angezeigte Gewicht bei den verschiedensten Geschwindigkeiten gemessen, und es gelang mir, daraus eine präzise Gleichung für die Beziehung zwischen gemessenem Gewicht, ursprünglichem Gewicht des Fahrzeugs im Ruhezustand und Bewegungsgeschwindigkeit abzuleiten. Sie lautet wie folgt …
(An diesem Punkt begab sich Professor Nessitor zum Demonstrationsschirm in der Mitte und schrieb darauf die umstrittene Formel nieder. Das soll das erste Mal gewesen sein, daß sie je öffentlich vorgeführt wurde.)
In der von Nessitor verwendeten Form sieht sie folgendermaßen aus:
(Gewicht bei der Geschwindigkeit v ) = (Ruhemasse m) (1 – v 2 - c 2 )
(Als die Formel gezeigt wurde, herrschte Schweigen, denn die
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