Analog 5
fünfzig Jahre, bis das ganze Projekt sich seiner Vollendung näherte – dem Stadium, in dem es keine größeren Trümmer mehr gab, die den Planeten zerstören konnten, und auch keine Raketen mehr, mit denen man solche hätte vernichten können. Der Mond war zu einer fast homogenen Wolke aus Meteoritensubstanz zerstäubt worden, die den Planeten umkreiste, wobei ständig Material auf die Oberfläche hinabstürzte.
Die Geißel war über das Volk gekommen.
Mehrere Sonnenumläufe lang konnte nichts auf der Oberfläche Teldis existieren, ohne ständig Gefahr zu laufen, ernsthaft verletzt oder sogar getötet zu werden. Die Überreste der Technologie, die sie gerettet hatten, wurden nun von der Geißel dem Erdboden gleichgemacht und völlig vernichtet. Die einstmals große Zivilisation zerfiel zu Ruinen, die Bevölkerung nahm immer weiter ab und fiel langsam ins Stadium von Wilden aus prähistorischen Zeiten zurück – aber nicht ganz.
Sie waren imstande, in ihren Abschußbasen und Stollen und Höhlen unter der Oberfläche zu überleben, die sie zu unterirdischen Städten ausbauten. Sie hatten Felder bestellt und angepflanzt, da die Geißel nicht jeden Baum und jede Pflanze zerstören konnte, und sie hatten befestigte und geschützte Straßen und Wege geschaffen, und schließlich bewahrten sie noch jenes alte Wissen für sich auf, das nützlich war, während die Überlieferungen gespeichert wurden. Doch der Hauptgrund für ihr Überleben als Kultur war der gewesen, daß sich eine furchtsame und hilflose Bevölkerung in nun wieder zunehmender Zahl unter den Schutz und die Befehle der Militärischen Meister stellte.
Es lag in der Natur der Dinge, daß aus den Rettern die Meister wurden, und dieses System hatte sich nur zu leicht konsolidieren können, als sich die Meister Gehorsam und Respekt ihrer Sklaven gesichert hatten, deren Denken sie nun weitestgehend kontrollieren konnten – wozu auch die Maxime gehörte, allem zu mißtrauen, ein Gesetz, das bereits in der Jugend eingeschärft wurde.
Denn es hatte einige Warnmomente gegeben, die auf die Zerstörung des Satelliten hingewiesen hatten, Zeit genug, der Heimatwelt zu übermitteln, daß sie bald in große Gefahr geraten würde, weil jemand zu vertrauensselig gewesen war – weil jemand etwas als Tatsache akzeptiert hatte, das man eigentlich hätte überprüfen und anzweifeln müssen –, und aufgrund dieses Irrtums wurde Teldi über tausend Jahre lang von der Geißel heimgesucht. Der Grund für das geradezu fanatische Mißtrauen, dachte Martin, als der Meister seinen Bericht beendet hatte, lag nun klar auf der Hand.
Wenn die Meister doch die Bevölkerung nur nicht versklavt und das Wissen nur einigen wenigen Hochgestellten zugänglich gemacht hätten …
„In jeder Gesellschaft muß es Personen mit Autorität und Verantwortung geben“, sagte Skorta plötzlich, und Martin erkannte, daß ihn der geschichtliche Abriß des Meisters so sehr gefesselt hatte, daß er laut dachte. „Kein Mechanismus darf von einem verantwortungsvollen Besitzer überlastet werden. Aber du warst in meiner Schule, Martin, und du weißt, daß jeder Person in der Praxis ein wenig mehr Wissen vermittelt wird als sie tatsächlich benötigt. Dies geschieht in der Hoffnung, daß sie irgendwann einmal nach mehr dürsten wird. Natürlich wird man ihr aber erst dann mehr Wissen vermitteln, wenn sie sich als verantwortungsvoll genug erwiesen hat, das bereits vorhandene Wissen auch richtig anzuwenden.“
„Ich beginne zu verstehen“, sagte Martin. „Die Befehle meines Meisters lauteten dahingehend …“
„Bitte informiere diesen Sklaven“, unterbrach ihn der Inquisitor, „daß uns die Befehle seines nicht anwesenden Meisters gleichgültig sind. Es existieren drei aufgezeichnete Ereignisse von Hörensagen, die die Landung von Mechanismen auf Teldi beschreiben, welche uns große Wunder zeigten, die sie in die leere Luft projizierten, ehe sie zerstört wurden. Unsere Antworten lauteten, daß wir keinerlei Kommunikation akzeptieren würden, die uns nicht von einem verantwortlichen Meister übermittelt wird. Dieser Sklave ist keine verantwortliche Person, seine Anwesenheit hier eine Beleidigung, und ich kann die Ziele seines Meisters nicht verstehen, ihn hierherzusenden, obwohl er mit der Situation vertraut sein mußte.
Wir sind noch zu keinem Ergebnis gekommen, was mit diesem Sklaven zu geschehen hat“, fuhr der Meister fort. „Sollen wir ihn physisch bestrafen wie ein ungehorsames Kind
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