1135 - Cathys Friedhof
Die Stimmung war weg!
Schlagartig hatte Bernie Slade das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen. Nichts war mehr wie noch vor ein paar Sekunden. Die Antwort der Frau hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Den Zauber der letzten Stunden gab es nicht mehr. Selbst die Lichter hinter den Fenstern des Schlosses sahen nicht mehr so strahlend aus.
Zuerst hatte er noch an einen Scherz glauben wollen. Er schüttelte auch den Kopf, dann erkannte er jedoch, daß es kein Scherz war. Dazu reichte ein Blick in das Gesicht der Frau. Es hatte die Lockerheit und das Lächeln der zurückliegenden Stunden verloren. Die Gesichtszüge zeigten nun einen Ernst, der ihn erschreckte, und sie brauchte den Satz nicht einmal zu wiederholen, er wußte auch so, daß es ihr ernst war.
Es war kalt und wolkenklar. Am Himmel stand der fast volle Mond als bleiches Gebilde. Eine trotzdem romantische Winternacht. Recht früh für diese Jahreszeit über der Landschaft lag ein dünner Schneefilm, der an ein weit gespanntes Totenhemd erinnerte. Zumindest, was seine Farbe anging.
Auf der Schneefläche hatten sich Schatten verteilt, manche dunkel wie poliertes Metall, andere heller, als wären sie aus der Erde unter dem Schnee gestiegen.
Slade mußte Luft holen. Endlich fand er Worte. »Das ist doch ein Witz gewesen. Oder nicht?«
Cathy sprach noch nicht. Sie ließ in zappeln. »Ich mache keine Witze, Bernie.«
»Bitte.« Er schüttelte den Kopf. »Also, Cathy, ich habe ja viel gehört. Ich bin auch nicht ab vom Leben. Ich weiß zudem wie es ist, wenn man einen Schluck getrunken hat…«
»Irrtum. Ich habe nicht getrunken.«
»Okay, nicht soviel und…«
»Du verstehst es nicht. Du kannst nicht den Tod heiraten. Niemand kann es.«
Slade sah es locker. »So wie du aussiehst, so habe ich mir den Tod nicht vorgestellt. Ich sehe ihn immer anders vor mir. Als knöchernes Monstrum. Ein gewaltiges Skelett, das eine schreckliche Sense schwingt. Das ist für mich der Tod.«
»So haben in sich Menschen ausgedacht.«
»Ja, das stimmt.«
»Aber niemand kennt ihn richtig. Ich bin der Tod. Ich kann es auch für dich sein.«
Er blieb beim Thema. »Wenn ich dich heirate?«
»Nicht nur.«
»Aha.«
Cathy schaute ihn an. Sie sah so zerbrechlich aus und war mit einer ätherischen Schönheit zu vergleichen. Die zarte Haut, das blonde, recht kurze Haar. Eine hohe faltenlose Stirn. Dazu die Augen so klar wie kleine Teiche. Eine wunderschöne Frau, die wie eine Märchenfee in Slades Leben getreten war. Daß aus diesem Mund mit den feingeschwungenen Lippen ein derartiger Satz hätte dringen können, das war ihm ebenfalls ein großes Rätsel. Am liebsten hätte er ihr Gesicht in beide Hände genommen und sie auf den Mund geküßt. Das genau traute sich Bernie Slade nicht. Eine innere Stimme hielt ihn davon ab.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte sie leise.
»Wohin?«
Das Lächeln auf ihren Lippen vertiefte sich. »Es wird mein Geheimnis bleiben.«
Diese Antwort wollte Slade nicht akzeptieren. »Wieso Geheimnis? Ich habe dich hier im Schloß gesehen. Du hast mich begleitet. Du hast mir alles gezeigt. Du bist mir nicht von der Seite gewichen. Wir haben die Party genossen. Wir haben uns wunderbar unterhalten. Wir haben gelacht, und wir haben miteinander getanzt. Es ist doch herrlich gewesen. Oder findest du nicht?«
»Ich muß trotzdem gehen.«
»Wohin denn?« Bernie regte sich auf. »Mir hast du erzählt, daß du nicht im Schloß lebst und…«
»Da habe ich auch nicht gelogen. Leben und eine Heimat haben, ist etwas anderes. Du hast jemand gesucht. Ich habe dich begleitet, ich bin deine Walkerin gewesen, wie man heute so schön sagt, und damit ist dieses Thema für mich vorbei.«
»Für mich nicht!« erklärte Slade spontan.
Sehr ernst blickte Cathy ihn an. »Bitte, Bernie, mach dich nicht unglücklich. Glaube mir, es ist besser so. Wir müssen uns trennen. Ich gehe und wünsche dir noch ein schönes Leben.«
Das klang nicht nur nach einem Abschied, das war auch einer, denn Cathy öffnete die Tür des Jaguars und stieg aus. Sie drehte sich in die klare Nacht hinein, die der Frost irgendwie hatte erstarren lassen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging sie weg. Eine einsame Gestalt in der Nacht, die sich immer mehr auflöste, je weiter sie sich von Bernie und seinem Auto entfernte.
Er blieb starr sitzen. Cathy war weg, aber sie war noch zu riechen. Ein Hauch ihres Parfüms wehte unsichtbar in der Luft. Er glaubte es sogar zu schmecken.
Es war alles so
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