Anansi Boys
gegeben, da m it er weggeht«, sagte Mrs. Higgler. »Hab ihm gesagt, der Sohn des Verstorbenen kommt extra ganz aus England angeflogen, und er will tun, was s e inem Vater gebührt. Also tu, was recht ist. Nicht n u r ›guten Willen zeigen‹.«
»Ja«, sagte Fat Charlie. »Na t ürlich. Verstehe.« Er zog sein Anzugsakko aus und hängte es über den Zaun. Er lockerte se i n e Krawatte, zog s i e sich über den Kopf und steckte sie in die Sakkolasc h e. Dann schaufelte er die schwarze Erde in das offene Grab, in der flor i d ianischen Luft, die die Konsistenz e i ner sä m igen Suppe aufwies.
Nach einiger Zeil setzte eine Art Regen ein, soll heißen, es war die Sorte Regen, die sich nie recht entscheiden kann, ob sie nun tatsächlich loslegt oder nicht. Beim Autofahren hätte man nicht gewusst, ob man die Scheibenwischer betätigen soll. Beim E r deschaufeln wurde man davon einfach nur noch nasser, schwi t zte noch mehr, fühlte sich noch un w ohler. Fat Charlie schaufelte immer weiter, und Mrs . Higgle r stan d d ane b e n , di e Arm e ü b e r de m gewaltigen Buse n verschränkt , un d sa h ih m zu , wi e e r da s Loc h auffüllte , währen d de r Bei n aherege n ih r sch w arze s Klei d un d den Strohhut m it der schwarzen Seidenrose einfeuchtete.
Aus der Erde wurde Schlamm, und der wurde tendenziell i mmer schwere r .
Eine Ewigkeit, und zumal eine überaus unge m ü tliche Ewigkeit, schien vergangen zu sein, als Fat C h arlie die letzte Schaufel voll Erde festklopfte.
Mrs. Higgler trat zu ih m . Sie nahm sein Sakko vom Zaun und reichte es ih m .
»Du bist bis auf d i e Haut durchnässt und starrst vor Dreck und Schweiß, aber du bist erwachsen geworden. Willkommen zu Hause, Fat C h arlie«, sagte sie, und lächelnd drückte sie i h n an ihre mächtige Brust.
»Ich weine gar nich t « , sagte Fat Charlie.
»Still jetzt«, sagte Mrs. Higgler.
»Das ist der Regen auf meinem Gesicht«, sagte Fat Charlie.
Mrs. Higgler sagte gar nichts. Sie hielt i hn einfach nur fest und wiegte sich dabei h i n und her, und nach einer Weile sagte Fat Charlie: »Ist gut. Mir geht’s jetzt besser.«
»Es gibt noch was zu essen bei m ir zu Hause«, sagte Mrs. Higgler. »Gehen wir, da m it du was in den Magen kriegst.«
Auf dem Parkplatz wischte er sich den Schlamm von den Schuhen, dann stieg er i n sein Mietauto und folgte Mrs. Higglers kastanienbraun e n Ko m b i durch Str a ßen, die vor zwanzig Jahren noch nicht existiert hatten. Mrs. Higgler fuhr w ie jemand, der soeben einen riesigen und dringend benötigten Becher Kaff e e entdeckt hat und dessen vordringl ic hste Aufgabe jetzt darin bestand, so viel wie m öglich von dem Kaffee zu trinken und gleichzeitig so schnell wie m öglich zu fahren. Fat Charlie fuhr immer hinterher, blieb dran, so gut er konnte, von A m pel zu A m pel hetzend, während er versuch t e, ansa t z weise he r a uszufinden, wo sie eigentlich waren.
Dann bogen sie in eine Straße, und Stück für Stück dämmerte ih m , dass er sie kann t e. Dies war die Straße, in der er als Junge gewohnt h a tte. Sogar die Häuser sahen mehr oder weniger noch so aus wie früher, wenn auch die meisten von ihnen sich eindru c ksvolle Drahtgeflechtzäune um die Vorgärten zugelegt hatten.
Es parkten bereits mehrere Autos vor Mrs. Higglers Haus. Er hielt hinter einem ältlichen grauen Ford. Mrs. Higgler schritt zur Haustür, öff n ete sie mit ihrem Schlüssel.
Fat Charlie blickte an sich h i nunter, schlam m b espritzt und schweißdurchnässt, wie er war. »So kann ic h nicht reingehen«, sagte er.
»Hab schon Schli m meres ges e hen«, sagte Mrs. Higgler.
Dann schnüffelte s i e kurz. »Pass auf, du gehst da rein, gehst direkt durch i n s Badezimmer, da kannst du dir die Hände und das Gesicht wasch e n, machst dich sauber, und wenn du fertig bist, findest du uns alle in der Küche.«
Er ging ins Bad. Alles roch nach Ja s m i n . Er zog sein sch m utziges Hemd aus, wus c h sich in dem winzigen Waschbecken Gesicht und Hände m it nach Jas m in duftender Seife. Er nahm einen Was c hlappen, wischte sich da m it die Brust ab und rieb an den gröbsten Schlam m s pritzern auf seiner Hose herum. Er b e sah sich das He m d , das heute Morgen, als er es a n gezogen hatte, strahlend weiß gewe s e n war, sich nun aber in einem ausgesucht sch m uddeligen Braun präsentierte, und er besch l oss, es nicht wieder anzuziehen. Er hatte noch andere Hem d en in der Rei s e tasc h e , auf dem Rücksitz des Mietw a gens. Er
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