Ferien, Flirten & Flamingos
1.
âTobias? Hast du kurz Zeit?â
Das ist jetzt nicht sein Ernst, oder? Er will wissen, ob ich kurz Zeit habe? Er weià doch ganz genau, dass ich mehr als nur kurz Zeit habe. Ich habe alle Zeit der Welt. Mehr Zeit als ich hat niemand. Ich habe so viel Zeit, dass es schon wehtut. Und daran ist einzig und allein mein dusseliger Vater schuld. Von daher klingt es gerade irgendwie sehr höhnisch, wenn er mich fragt, ob ich kurz Zeit habe.
âTobias?â, ruft er erneut.
âJa, was ist denn?â, rufe ich zurück.
âKannst du mal kurz kommen?â
âIch lese gerade!â
Jawohl, ich lese. Ich lese. So weit ist es schon gekommen. Ich lese ein Buch. Ein über zweihundert Seiten dickes Buch. Und das auch noch freiwillig. Also, fast freiwillig. Mir ist einfach nichts anderes mehr eingefallen, um die Unmengen an Zeit totzuschlagen, die mich langsam aber sicher zermürben.
Ungelogen und kein bisschen übertrieben: Wenn das nächste Guinnessbuch der Rekorde erscheint, steht mein Name drin.
Tobias Frohwein: Weltrekordhalter im Erleben der langweiligsten Sommerferien aller Zeiten.
Das wird da stehen, ohne jeden Zweifel, denn es ist die Wahrheit.
Selbst wenn sich jemand in der Wüste verirren und dort sechs Wochen lang nur rumsitzen würde, hätte er immer noch mehr erlebt als ich, denn er hätte die kompletten Sommerferien im Gegensatz zu mir wenigstens nicht zu Hause verbracht. Und alles nur, weil mein vertrottelter Vater den Anmeldeschluss fürs Ferienlager verpennt hat!
Ja, ich weiÃ, das klingt jetzt erst mal nicht besonders spannend: Sommerferien im Ferienlager. Das dachte ich letztes Jahr auch, als mein Vater mich gegen meinen Willen dahin geschickt hat. Doch als ich dann dort war, fand ich es echt klasse. Und das, obwohl ich die letzten Tage auf der Krankenstation verbringen musste.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls habe ich dort ein paar coole Jungs kennengelernt und wir hatten sehr viel SpaÃ. Und Caro habe ich auch in diesem Ferienlager kennengelernt. Caro ist meine Freundin. Wir sehen uns leider nicht so oft, wie wir uns gern sehen würden, weil sie 100 Kilometer weit weg wohnt. Umso schlimmer ist es, dass mein Vater diese blöde Anmeldung verpennt hat. Caro ist jetzt nämlich im Ferienlager. Wir hätten dort volle drei Wochen zusammen verbracht. Darauf habe ich mich sehr, sehr gefreut. Aber anstatt meine kostbare Zeit mit Caro zu genieÃen, sitze ich jetzt hier und lese ein Buch. Wobei mir das erstaunlicherweise sogar irgendwie Spaà macht. Tatsache. Wer hätte gedacht, dass es auch richtig coole Bücher gibt? In der Schule müssen wir immer so langweiliges Zeug lesen. Da haben die Leute ständig irgendwelche langweiligen Probleme, die am Ende von irgendwelchen Langweilern gelöst werden. Die Bücher, die wir in der Schule lesen, sind wie meine Sommerferien â die pure Langeweile.
âDu kannst ja gleich weiterlesen!â, ruft mein Vater. âAber jetzt hilf mir bitte mal kurz!â
âJa, ja, schon gut, ich komm ja schon.â
Ich klappe das Buch zu und wälze mich schwerfällig von meinem Bett.
Diese Ferien schaffen mich echt. So faul war ich lang nicht mehr. Und das ist gar nicht gut. Eigentlich sollte ich jeden Tag ein bis zwei Stunden trainieren. Oder wenigstens laufen gehen. Das hat der Trainer in dem FuÃballcamp gesagt, in dem ich zwei Wochen lang über Ostern war.
Ich hätte echt Talent, hat er gesagt. Doch das allein würde nicht genügen. Ich müsste hart an mir arbeiten, wenn ich im FuÃball etwas erreichen will. Also habe ich danach täglich trainiert. Aber jetzt ist bei meinem Verein Sommerpause. Die ganzen Jungs sind weg und alleine trainieren ist total öde.
In der ersten Ferienwoche habe ich mich noch jeden Tag aufgerafft, in der zweiten Woche war ich immerhin noch dreimal laufen, das macht aber auch keinen SpaÃ. Und jetzt habe ich seit einer Woche gar nichts mehr gemacht. Im Ferienlager hätte ich jeden Tag FuÃball gespielt, da gibt es sogar ein richtiges Turnier. Und Caro spielt auch FuÃball.
Das wären die perfekten Ferien geworden. Stattdessen werde ich nun immer fauler und fetter und langweile mich zu Tode. Mittlerweile bin ich ja fast schon froh, wenn mein Vater mich ruft und ich ihm bei irgendwas helfen soll.
Aber nur fast.
âWo bist du denn?â, rufe ich, als ich ihn nicht wie vermutet in der Küche
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