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Anarchy in the UKR

Anarchy in the UKR

Titel: Anarchy in the UKR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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die Sonne blendete meine Augen, hinter dem Meer, ganz weit weg, sah ich die Silhouette der Berge, das war der Balkan, ich wußte genau, das mußte der Balkan sein, mein Alter war irgendwann in Jugoslawien gewesen und hatte mir Ansichtskarten mitgebracht, ich hatte ein sehr genaues Bild von den Bergen, diese unglaubliche Menge Farbe und Sonne, hinter dem Balkan kam nichts mehr, da war die Welt zu Ende, aber das reichte völlig, so viel Gras, Blätter, Kirschbäume, flache und glühende Weizenfelder, grüne Lastwagen, schweigsame Schlosser, weiße Wände und gelbe Limonade konnte ich in meinem Körper gerade noch unterbringen; ich wandte mich von den Bergen ab und sah nach Osten, im Osten waren Felder, endlose Felder, an denen ich mit meinem Alten häufig entlang gefahren war, wenn er eine mehrtägige Tour vor sich hatte und mich mitnahm, die Felder waren von gleichmäßigem Sonnenlicht beschienen, und wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nicht erkennen, was dahinter kam, hinter diesen Feldern, da mußte doch etwas sein, aber ich sah nichts, dann war dort also nichts, daneben standen meine Städte, arbeiteten meine Fabriken, meine Freunde warteten auf mich, die Erwachsenen waren freundlich und nett zu mir, fremde Fahrer hupten mir im Vorbeifahren zu, auf dem Meer lagen Schiffe, Fische schwammen darin, sie reckten sich aus den Wellen wie Reisende aus Busfenstern und sahen mich an, als wollten sie sagen – was hast du? Was denkst du dir bloß? Wie kannst du krank sein, wo du doch so ein Meer, wo du doch uns hast?
    Und da dachte ich, stimmt, was denke ich mir, wie kann ich krank sein, wenn es solche Schiffe und solche Fische gibt, wenn ich so viel Luft und so viele Bäume habe, wenn ich meinen Alten habe, der mich auf jeden Fall wieder mit auf Tour nimmt, wenn ich zu guter Letzt den Balkan habe, den außer mir im sommerlichen Nachmittagsdunst keiner bemerkt. Doch, dachte ich, für so eine Welt lohnt es sich, weiterzuleben. Um so mehr, als ich noch nie am Meer war. Wirklich, was bildest du dir ein, dachte ich und kam wieder zu mir. Kam zu mir und blieb fürs erste, es ging mir besser, ich kehrte ins Leben zurück, das Leben kehrte zu mir zurück.
     
1986 Stadion.
    Bis zur fünften Klasse hatte ich mit Sport nichts am Hut. Sport rauschte an mir vorbei. Alle meine Freunde rannten von früh bis spät einem Gummiball hinterher – einen Lederball hatten sie natürlich nicht – und forderten mich andauernd auf, ins Tor zu gehen, wenn ich schon nicht richtig mitspielen wolle, aber ich fand immer einen Grund, nicht mitzumachen, manchmal machte ich einfach so nicht mit, grundlos. Sie hielten mich natürlich für einen Idioten, womit sie nicht ganz Unrecht hatten, aber trotzdem hatte ich mit Sport nun mal nichts am Hut. Es juckte mich nicht, was die anderen über mich dachten, es juckt mich eigentlich auch jetzt nicht, was andere über mich denken, das ist sozusagen ein Charakterzug von mir geworden. Aber 1986, genauer im Juni '86, fand sich alles an seinem Platz. Wir schalteten alle unsere Fernseher ein und sahen Maradona, den alten Gauner, der das Team von Kaiser Franz zur Schnecke machte, die Bälle mit der Hand versenkte und Kokain schnupfte (das weiß ich jetzt, daß er schnupfte, damals wäre ich nie auf so eine Idee gekommen), er weinte in den bewegendsten Momenten und schämte sich nicht einmal. Maradona war wirklich ein fescher Typ, den man einfach mögen und nachahmen mußte. Also ging ich ins Tor.
    Einer der größten Helden in meinem Leben war mein Trainer. Er ist etwas später und vollkommen zufällig aufgetaucht, das örtliche Sportkomitee hatte entschieden, ihm eine Arbeit zu verschaffen, und schlug ihn unserer Schule zu, als Sportlehrer. Außerdem sollte er auch die Herrenmannschaft trainieren, in der unsere älteren Kumpels spielten. Er selbst war Profifußballer gewesen und hatte mehrere Jahre in der ersten oder zweiten Liga gespielt, jetzt trat er für unsere Stadtmannschaft an, so ein halbprofessioneller Verein, in dem lauter abgetakelte Outsider spielten, die meisten hatten wirklich Erst- oder zumindest Zweitliganiveau, waren aber alle die letzten Looser, unser Ortsverein war ihr Schwanengesang, ein Müllhaufen für Abgewrackte, was uns nicht daran hinderte, zu jedem Heimspiel zu gehen und unseren Trainer anzufeuern. Der Trainer trank immer mehr und pöbelte auf dem Platz, aber das machte uns nichts aus, er war unser Trainer, er trainierte uns, er stellte eine Amateurmannschaft aus unseren älteren

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