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Anarchy in the UKR

Anarchy in the UKR

Titel: Anarchy in the UKR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Teufel noch mal, mit Blech verkleidete Kirche, wie das klingt, ein restauriertes Kloster; als ich Kind war, saß dort eine Armeeeinheit, Ende der Achtziger kam die Familie zweier Klassenkameraden, Zwillinge, aus der DDR zurück, ihr Vater war Offizier und gehörte dieser Einheit an, die Zwillinge gingen in die Musikschule und lernten Akkordeon, sie hatten zu zweit ein Instrument, konnten gut Fußball spielen, rauchten ziemlich viel für ihr Alter, hörten Accept, die sie aus der DDR mitgebracht hatten, und erzählten allen über die Ge-eS-eS-De, die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Armeekinder, die totalen Looser, ihr Vater knöpfte sie sich regelmäßig vor, aber das half nicht viel; und jetzt? Wo sind die Offiziere abgeblieben? Und die Kommandozentrale? Die Reservisten und die GSSD ? Was ist mit unseren Streitkräften los? Religiöse Vernebelung, verdammt; außer den vier Schulen gibt es noch ein Stadion, eine Bank, Büros und Silos, die gehören einfach dazu, Gott erschuf all diese Orte und errichtete Silos allerorten, er gebot den Menschen, hier habt ihr die Silos, und nun legt los, das ist alles, was ich euch gebiete; ich erinnere mich noch an einen Reiseführer für das Gebiet Luhansk, das damals noch regulär Gebiet Woroschilowgrad hieß, dort war sogar auf dem Umschlag ein mit Weizen beladener LKW vor einem Silo abgebildet, das hat sich mir eingeprägt, Schwarzerdeboden, Kornkammer, ein Paradies für alle faschistischen Eroberer; außerdem gibt es ein paar Kinos, ein Wohnheim für Berufsschüler, einen Reparaturbetrieb, einen Bahnhof. Auf den Straßen jede Menge Sand und Aprikosen, die Aprikosen fallen in den Sand, und niemand liest sie auf, ganze Straßenzüge voll herabgefallener Aprikosen, du mußt aufpassen, daß du nicht drauftrittst und ausrutschst. Von den berühmten Persönlichkeiten der Stadt, die Partei- und Staatsfunktionäre mal ausgenommen, könnte man den verrückten Schriftsteller Harschyn nennen, womit der sich befaßt hat, weiß keiner, wie er endete, weiß jeder. Für kurze Zeit war Starobilsk sogar die Hauptstadt der Sowjetukraine, 1943, als die Russen nach Westen vorrückten, wurde Starobilsk als eine der ersten ukrainischen Städte befreit, und im Gefolge der Armee fielen natürlich auch gleich die Bürokratenärsche ein, und da sie keine wichtigere Ortschaft in ihre Gewalt gebracht hatten, riefen sie kurzerhand Starobilsk zur Hauptstadt aus. Die Befreiung selbst wurde bis zum Exzeß aufgeblasen und verzerrt – Obelisken, Gedenktafeln und Veteranenmedaillen ohne Ende, obwohl die echten Schlachten im Donbass geschlagen wurden, dort stand wirklich was auf dem Spiel: Steinkohle, schwarzes Gold, Bergwerke, die den unbeugsamen Kumpeln auf den Kopf rieselten, das ist was anderes als Silos; in Starobilsk gab es nur einen rumänischen Posten, ein paar Panzerhelden, die die abgerissenen Rumänen überwältigten, aufdringliche Partisanen und massenhaft Kollaborateure, natürlich mußte man daraus etwas machen, was zum Zeitgeist paßte, denn das wäre ja zu peinlich – die Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und ein dahergelaufener rumänischer Posten, da ist es imagefördernder, von harten Kämpfen vor den Toren der Stadt zu berichten und uns Grundschülern die noch lebenden, aber von der Liebe des Volkes bereits in die Bewußtlosigkeit getriebenen Medaillenveteranen vorzuführen, denen man nur das Wort zu erteilen brauchte, damit sie loslegten: vom heimatlichen Starobilsk und seiner Umgebung, vor denen sie die Häupter senkten und auf die Knie fielen, vom Sturm auf Berlin, dessen Verlauf sie natürlich entscheidend beeinflußt hatten, wie sie sagten, während sie sich mit dem Ärmel eine einsame Tschekistenträne aus dem Auge wischten und die intimsten Stellen schamlos auswalzten, die Veteranen mochte ich schon als Kind nicht, sie benahmen sich wie Huren beim ersten Treffen, sie wollten Blumen und eine Blaskapelle, stiegen auf die Bühne, und wenn sie über Koba sprachen, fingen sie an zu sabbern, für einen echten Soldaten das Letzte. Aber keiner dieser Ärsche hat mir als Kind auch nur in Andeutungen von den Lagern mit den polnischen Offizieren erzählt, die hier 1939 erschossen wurden, oder von den jüdischen Massengräbern, auf denen man später einen Vergnügungspark errichtete, natürlich – das war kein rumänischer Schmuddelposten und nicht der Sturm auf Berlin. Ich war überrascht, daß in Polen viele Leute Starobilsk als den Ort mit den

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