ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
siehst du ein Loch, durch welches du dich hinabgleiten lassen und tief in den Baum hinunterkommen kannst! Ich werde dir einen Strick um den Leib binden, damit ich dich wieder heraufziehen kann, wenn du mich rufst!"
"Was soll ich denn unten im Baum?" fragte der Soldat.
"Geld holen!". sagte die Hexe. "Du mußt wissen, wenn du auf dem Grund des Baumes ankommst, so bist du in einem großen Gage; da ist es ganz hell, denn es brennen über hundert Lampen dort. Dann siehst du drei Türen. Du kannst sie aufschließen, der Schlüssel steckt darin. Gehst du in die erste Kammer hinein, so siehst du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste, auf der ein Hund sitzt; er hat ein paar Augen so groß wie ein paar Teetassen, doch darum sollst du dich nicht kümmern! Ich gebe dir meine blaugewürfelte Schürze, die kannst du auf dem Fußboden ausbreiten; geh dann rasch hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine Schürze, schließ die Kiste auf und nimm soviel Geld wie du willst; es ist lauter Kupfer. Wenn du aber lieber Silber haben willst, mußt du in das nächste Zimmer geben; doch dort sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen, so groß wie ein Paar Mühlräder; aber darum brauchst du dich nicht kümmern, setz ihn auf meine Schürze und nimm dir von dem Gelde! Willst du hingegen Gold haben, so kannst du auch das bekommen, und zwar soviel, wie du tragen magst, wenn du in die dritte Kammer hineingehst. Aber der Hund, der hier auf der Geldkiste sitzt, der hat zwei Augen, jedes so groß, wie der Runde Turm in Kopenhagen. Das ist ein gewaltiger Hund, kannst du glauben! Aber darum sollst du dich gar nicht kümmern! Setze ihn nur auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und nimm dir aus der Kiste so viel Gold du willst!"
"Das ist gar nicht so dumm!" sagte der Soldat. "Aber was soll ich dir geben, du alte Hexe? Denn etwas willst du wohl auch haben, denke ich!"
"Nein", sagte die Hexe, "nicht einen einzigen Schilling will ich haben! Für mich sollst du nur ein altes Feuerzeug nehmen, das meine Großmutter vergaß, als sie das letzte Mal unten war!"
"Na, dann leg mir den Strick um den Leib!" sagte der Soldat.
"Hier ist er", sagte die Hexe, "und hier ist meine blaugewürfelte Schürze."
So kletterte der Soldat nun den Baum hinauf, ließ sich durch das Loch hinuntergleiten und stand unten, wie die Hexe es gesagt hatte, in dem großen Gange, wo die vielen hundert Lampen brannten.
Nun schloß er die erste Tür auf. Uh! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie Teetassen und glotzte ihn an.
"Du bist mir ja ein netter Kerl!" sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze der Hexe und nahm so viel Kupferschillinge, wie in seine Taschen hineingehen wollten, schloß dann die Kiste, setzte den Hund wieder darauf und ging in das andere Zimmer. Hei! da saß der Hund mit den Augen so groß wie ein Paar Mühlräder.
"Du solltest mich nicht so lange ansehen!" sagte der Soldat, "Du könntest Augenschmerzen bekommen!" und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe. Doch als er das viele Silbergeld in der Kiste sah, warf er alles Kupfergeld fort, was er hatte und füllte seine Taschen und den Tornister mit dem lauteren Silber. Nun ging er in die dritte Kammer! Nein, war das scheußlich! Der Hund darin hatte wirklich zwei Augen so groß wie der Runde Turm und die rollten im Kopfe herum gerade wie Mühlräder!
"Guten Abend!" sagte der Soldat und griff an die Mütze, denn solch einen Hund hatte er niemals vorher gesehen; aber als er ihn ein Weilchen angesehen hatte, dachte er, nun genügt es eigentlich, hob ihn auf den Fußboden herunter und schloß die Kiste auf. Nein, Gott bewahre, was war das für eine Menge Gold, ganz Kopenhagen konnte er dafür kaufen und die Zuckerferkel der Kuchenfrauen, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde in der ganzen Welt! Ja, da war wirklich einmal Geld! - Nun warf der Soldat alle die Silberschillinge, mit denen er seine Taschen und den Tornister gefüllt hatte, fort und nahm Gold dafür. Ja, alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel wurden gefüllt, so daß er kaum laufen konnte. Nun hatte er Geld! Den Hund setzte er wieder auf die Kiste, schlug die Türe zu und rief dann durch den Baum hinauf: "Zieh mich nun hinauf, alte Hexe!"
"Hast du das Feuerzeug mit?" fragte die Hexe.
"Wahrhaftig!" sagte der Soldat, "das habe ich reinweg vergessen", und er ging und nahm es. Die Hexe zog ihn herauf, und da stand er wieder auf der Landstraße mit
Weitere Kostenlose Bücher