ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
ihm.
"Ich kann euer Bornholmisch nicht verstehen!" sagte er zuletzt wütend und wandte ihnen den Rücken. Die Brücke konnte er nicht finden; ein Geländer war auch nicht da! "Es ist ein Skandal, wie es hier aussieht!" sagte er. Niemals hatte er sein Zeitalter elender gefunden, als an diesem Abend. "Ich glaube, ich werde eine Droschke nehmen müssen!" dachte er, aber wo eine hernehmen? Zu sehen war jedenfalls keine. Ich werde zum Königsneumarkt zurückgehen müssen, dort halten wohl Wagen, sonst komme ich nie nach Christianshafen hinaus!"
Nun ging er die Oststraße zurück und war fast an ihrem Ende, als der Mond hervorkam.
"Herr Gott, was ist denn hier für ein Gerüst aufgestellt worden!" sagte er, als er das Osttor sah, das zu jener Zeit die Oststraße abschloß.
Endlich fand er doch eine kleine Pforte, und durch diese kam er bei unserem Neumarkt heraus, das war damals ein großer Wiesengrund; einzelnes Gesträuch wuchs wild durcheinander, und quer über die Wiese ging ein breiter Kanal oder Strom. Einige verwahrloste Holzbuden für die holländischen Schiffer, nach welchen der Ort den Namen "Hollandsau" trug, lagen auf dem gegenüberliegenden Ufer.
"Entweder sehe ich eine Fata Morgana, wie man es nennt, oder ich bin betrunken!" jammerte der Justizrat. "Was ist das nur! Was ist das nur!"
Er kehrte wieder zurück in dem festen Glauben daß er krank sei; als er in die Straße einbog, sah er sich die Häuser etwas genauer an. Die meisten waren aus Fachwerk, und viele hatten nur ein Strohdach.
"Nein, es geht mir doch gar nicht gut!" seufzte er, "und ich habe doch nur ein Glas Punsch getrunken aber ich kann ihn nicht vertragen! Und es war auch ganz und gar verkehrt, uns Punsch und warmen Lachs zu geben. Das werde ich der Dame auch einmal sagen. Ob ich zurückgehen und sie wissen lassen sollte, was das bei mir für Folgen hat. Aber das ist auch peinlich und wer weiß, ob sie überhaupt noch auf sind!" Er suchte nach dem Hause, konnte es aber nirgends finden.
"Es ist doch schrecklich! Ich kann die Oststraße nicht wiedererkennen! Nicht ein Laden ist da. Alte, elende Hütten sehe ich, als ob ich in Roskilde oder Ringstedt wäre! Ach, ich bin krank. Es nutzt nichts, sich zu genieren. Aber wo in aller Welt ist doch das Haus, aus dem ich eben fortging. Es ist nicht mehr dasselbe. Aber dort drinnen sind wenigstens noch Leute wach. Ach, ich bin ganz bestimmt krank!"
Nun stieß er auf eine halboffene Türe, durch deren Spalt Licht fiel. Es war eine der Herbergen der damaligen Zeit, eine Art Bierhaus. Die Stube hatte das Aussehen einer holsteinischen Diele. Eine ganze Menge guter Bürger, bestehend aus Schiffern, kopenhagener Patriziern und ein paar Gelehrten saßen hier in Gespräche vertieft bei ihren Krügen und gaben nur wenig acht auf den Eintretenden.
"Verzeihung!" sagte der Justizrat zu der Wirtin, die ihm entgegenkam, "mir ist plötzlich unwohl geworden! Wollen Sie mir nicht eine Droschke nach Christianshavn hinaus holen lassen?"
Die Frau sah ihn an und schüttelte den Kopf; darauf sprach sie ihn in deutscher Sprache an. Der Justizrat nahm an, daß sie der dänischen Zunge nicht mächtig sei und brachte daher seinen Wunsch auf deutsch vor; dies, wie auch seine Tracht bestärkten die Frau darin, daß sie einen Ausländer vor sich habe; daß er sich krank fühle, begriff sie schnell und gab ihm deshalb einen Krug Wasser, das freilich abgestanden schmeckte, obgleich es aus dem Brunnen war.
Der Justizrat stützte seinen Kopf in die Hand, holte tief Luft und grübelte über all das Seltsame rundum.
"Ist das "Der Tag" von heute abend?" fragte er, nur um etwas zu sagen, als er die Frau ein großes Stück Papier weglegen sah.
Sie verstand nicht, was er meinte, reichte ihm aber das Blatt. Es war ein Holzschnitt, der eine Lufterscheinung, die sich in der Stadt Köln gezeigt hatte, darstellte.
Das ist sehr alt!" sagte der Justizrat und wurde ganz aufgeräumt bei dem Gedanken, daß er ein so altes Stück entdeckt habe. "Wie sind Sie zu diesem seltenen Blatte gekommen? Das ist sehr interessant, obgleich es eine Fabel ist. Man erklärt sich dergleichen Lufterscheinungen als Nordlichter. Aber wahrscheinlich werden sie durch Elektrizität hervorgerufen!"
Diejenigen, die in der Nähe saßen und seine Rede gehört hatten, sahen verwundert zu ihm auf, und einer von ihnen erhob sich, lüftete ehrerbietig den Hut und sagte mit der ernsthaftesten Miene: "Ihr seid
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