Androidenträume
behaupten möchte – den wirklichen Verhältnissen zwischen den Menschen und den Nidu beziehungsweise der Großen Konföderation sehr nahe. Würden Sie gerne wissen, welche Punkte das sind?«
»Ja, Sir«, sagte Moeller.
»Ich schicke jetzt einen Wagen zu Ihnen«, sagte Schroeder. »Er wird in einer halben Stunde da sein und Sie hierherbringen. Vergessen Sie nicht die Krawatte.«
Eine Stunde später trank Moeller aus dem informativen und ideologischen Feuerwehrschlauch, der Anton Schroeder war, der einzige Mensch, der die Nidu besser als alle seine Artgenossen kannte. Im Laufe der Jahrzehnte, die er mit den Nidu zu tun gehabt hatte, war Schroeder zu folgender Erkenntnis gelangt: Die Nidu verarschen uns. Es wird Zeit, dass wir es ihnen heimzahlen. Er musste Moeller nicht zweimal fragen, ob er dabei mitmachen wollte.
»Da kommen die Nidu«, sagte Alan und erhob sich von seinem Sitz. Moeller schluckte den Rest der Milch hinunter und stand ebenfalls auf, gerade noch rechtzeitig, um zu spüren, wie eine Gasblase seine Eingeweide verknotete. Moeller biss sich in die Wange und bemühte sich, den Krampf zu ignorieren. Es wäre nicht gut, wenn er die Nidu-Delegation auf seine Verdauungsbeschwerden aufmerksam machte.
Die Nidu marschierten in einer Reihe in den Konferenzraum, wie sie es immer taten, zuerst diejenigen, die die niedrigste Stellung in der Hackordnung hatten. Sie steuerten ihre zugewiesenen Plätze an und nickten ihrem jeweiligen menschlichen Gegenüber auf der anderen Tischseite zu. Niemand machte Anstalten zum Händeschütteln. Die Nidu mit ihrer klar geschichteten Gesellschaftsstruktur neigten nicht zu innigem schamlosem persönlichem Körperkontakt. Die Stühle wurden besetzt, von außen nach innen, bis nur noch zwei Personen neben den mittleren Plätzen auf den gegenüberliegenden Seiten standen: Moeller und der ranghöchste anwesende Handelsvertreter der Nidu, Sral-win-Getag.
Bei dem es sich zufällig um den Sohn von Faj-win-Getag handelte, dem Nidu-Botschafter, der vor knapp vierzig Jahren in Moellers Metzgerei erschienen war. Doch in Wirklichkeit war der Zufall gar nicht so groß, denn alle niduanischen Diplomaten auf der Erde entstammten der win-Getag-Sippe, einer mütterlichen Nebenlinie der gegenwärtigen Herrscherdynastie der auf-Getag. Faj-win-Getag war für seine Fruchtbarkeit berühmt, selbst für einen Nidu, so dass es im diplomatischen Corps auf der Erde von seinen Kindern nur so wimmelte.
Doch für Moeller war es die perfekte Genugtuung, dass der Sohn von James Moeller dem Sohn von Faj-win-Getag zurückzahlte, was er ihm schuldig war. Moeller glaubte nicht an Karma, aber er glaubte an dessen schwachsinnige Cousine, die Idee, dass »alles, was sich dreht, wieder zurückkommt«. Und jetzt waren es die Moellers, die endlich wieder zurückkamen.
Die Sache hatte noch einen weiteren ironischen Beigeschmack, dachte Moeller, als er darauf wartete, dass Sral-win-Getag die Begrüßungsformel sprach. Diese Runde der Handelsgespräche zwischen den Nidu und den Menschen hätte eigentlich schon lange vor diesem Stadium abgebrochen werden sollen. Moeller und seine Landsleute hatten seit Jahren heimlich geplant und intrigiert, damit es zu einem Bruch in den Beziehungen zwischen den beiden Völkern kam. In diesem Jahr hätten die Handelsbeziehungen eingefroren werden sollen. Die Allianz hätte sich auflösen und es hätte zu Anti-Nidu-Demonstrationen kommen sollen. Und die von Menschen bewohnten Planeten hätten den Weg zur wirklichen Unabhängigkeit außerhalb der Großen Konföderation beschreiten sollen.
Ein neuer Präsident und eine Nidu-freundliche Regierung hatten die Pläne vermasselt. Der neue Handelsminister hatte zu viele Delegierte ersetzt, und die neuen Delegierten waren allzu bereit gewesen, auf berechtigte Ansprüche zu verzichten, um die Beziehungen zu den Nidu wieder zu normalisieren. Jetzt waren die Verhandlungen schon viel zu weit fortgeschritten, um noch einen diplomatischen Konflikt anzuzetteln. Alle konflikttauglichen Ansätze waren ein oder zwei Ebenen tiefer aus dem Weg geräumt worden. Jetzt war etwas ganz anderes nötig, um die Verhandlungen platzen zu lassen. Vorzugsweise etwas, das die Nidu in einem schlechten Licht erscheinen ließ.
»Dirk«, sagte Sral-win-Getag und verbeugte sich knapp. »Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Sind wir bereit, mit dem heutigen Daumendrücken zu beginnen?« Er lächelte, was bei einem Nidu ziemlich scheußlich aussah, wenn er sich innerlich
Weitere Kostenlose Bücher