Andromeda
konnten zwei Militärfahrzeuge in derselben Gegend leicht Neugier erregen. Seit sechs Stunden schob sich der Wagen auf diese Weise an den Satelliten heran. Jetzt hatte man ihn beinahe erreicht. Crane stieß nervös die Bleistiftspitze auf einen bestimmten Punkt der Karte und nannte den Namen des Ortes am Fuß des Hügels: Piedmont in Arizona. Einwohnerzahl: achtundvierzig. Darüber mußten sie beide lachen, obgleich sie sich insgeheim Sorgen machten. Nach Angaben des Versuchsgeländes Vandenberg lag der esa (Estimated Site of Arrival), der voraussichtliche Landepunkt, zwölf Meilen nördlich von Piedmont. Diesen Punkt hatte Vandenberg anhand von Radarbeobachtungen und 1410 Bahnkurvenprojektionen der Computer errechnet; solche Berechnungen konnten normalerweise Abweichungen von höchstens ein paar hundert Meter enthalten.
Doch die Angaben der Funkortung waren nicht anzuzweifeln. Danach lag der Ausgangspunkt des Richtsignals genau mitten im Ort. Shawn konnte sich das nur so erklären, daß jemand aus dem Ort das Niedergehen des Satelliten beobachtet hatte – er glühte ja von der Reibungshitze –, ihn danach fand und nach Piedmont brachte. Das war die logische Erklärung; nur etwas daran stimmte nicht: Wenn ein Einwohner von Piedmont einen amerikanischen Satelliten gefunden hatte, der frisch aus dem Weltraum kam, so hätte er das bestimmt weitergesagt: Reportern, der Polizei, der nasa, der Armee – irgend jemandem. Aber sie hatten nichts davon erfahren. Shawn kletterte wieder aus dem Wagen. Crane folgte ihm. Beide zitterten vor Kälte. Gemeinsam blickten die beiden Männer hinüber zu der Siedlung.
Sie lag friedlich, aber vollkommen ohne Licht da. Shawn bemerkte, daß sowohl die Tankstelle als auch das Hotel alle Lichter gelöscht hatten. Viele Meilen im Umkreis gab es keine andere Tankstelle und kein anderes Hotel. Und dann fielen Shawn die Vögel auf. Im Schein des Vollmonds sah er sie ganz deutlich: Große Vögel, die sich langsam in weiten Kreisen auf die Häuser senkten und wie schwarze Schatten am Mond vorbeistrichen. Er fragte sich, warum er sie nicht gleich bemerkt hatte.
Auf seine Frage erwiderte Crane, er könne sich das auch nicht erklären. Halb im Scherz fügte er hinzu: »Vielleicht sind es Geier.«
»Genauso sehen sie auch aus«, sagte Shawn. Crane lachte nervös. Sein Atem stand als weiße Wolke in der kalten Nacht. »Aber was hätten Geier hier zu suchen? Sie kommen doch nur dahin, wo sie Aas finden.« Shawn zündete sich eine Zigarette an. Dabei schirmte er die Flamme des Feuerzeugs mit beiden Händen gegen den Wind ab. Er sagte nichts, sondern betrachtete nur stumm die Häuser, die Umrisse des kleinen Ortes. Dann suchte er Piedmont noch einmal mit dem Feldstecher ab, sah aber keinerlei Anzeichen von Leben oder Bewegung.
Schließlich ließ er das Glas sinken und warf den Zigarettenstummel in den Schnee. Leise verzischte die Glut. Er drehte sich zu Crane um und sagte: »Dann fahren wir mal hin und sehen uns die Sache aus der Nähe an.«
Vandenberg
Dreihundert Meilen entfernt saß Leutnant Edgar Gomroe in dem großen, quadratischen, fensterlosen Raum, der als Kontrollzentrum für das Unternehmen Scoop diente. Er hatte die Füße auf die Tischkante gelegt und vor sich einen Stapel Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften liegen. Gomroe war für diese Nacht Offizier vom Dienst, eine Aufgabe, die ihm einmal monatlich zufiel. Er leitete die Arbeit des zwölfköpfigen Stammpersonals. In dieser Nacht verfolgten die Männer den Weg und die Meldungen des Fahrzeugs, das den Decknamen »Caper 1« trug. Es gondelte im Augenblick irgendwo durch die Wüste von Arizona. Comroe mochte diese Aufgabe nicht. Der Raum war graugestrichen und von Leuchtröhren erhellt; seinen kargen, nützlichkeitsbetonten Anstrich konnte Comroe nicht leiden. Sonst kam er nur bei einem Start ins Kontrollzentrum. Dann war die Atmosphäre hier ganz anders: der Raum vollbesetzt mit geschäftigen Technikern, von denen jeder eine einzige komplexe Aufgabe zu leisten hatte, jeder erfüllt von der eigenartigen kühlen Erwartung, die dem Start eines Raumfahrzeugs stets vorangeht.
Die Nächte hingegen waren langweilig. Nachts ereignete sich nie etwas. Comroe nutzte den Leerlauf dazu aus, die nötige Lektüre nachzuholen. Von Beruf war er Herzgefäßspezialist und Fachmann für die bei hohen Beschleunigungen auftretenden Belastungen.
An diesem Abend studierte Comroe gerade einen Aufsatz mit der Überschrift »Stochiometrie der
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