Ange Pitou, Band 1
dem Geräusch von schwerem Geschütz und Kleingewehrfeuer, unter dem Gebrülle der Menge, als das Volk abermals vorstürzte, um die Toten aufzuheben und sich eine Wehr aus diesen Leichnamen zu machen, die durch den Mund ihrer Wunden um Rache schreien, erscheint am Eingang des ersten Hofes ein kleiner Haufen von ruhigen Bürgern ohne Waffen. Sie durchschneiden die Menge,und schreiten vor, bereit, ihr Leben zu opfern, das nur durch die weiße Fahne, die ihnen voranzieht und Parlamentäre bezeichnet, geschützt wird.
Das ist eine Deputation des Stadthauses; die Wähler wissen, daß sich die Feindseligkeiten entsponnen haben; sie wollen dem Blutvergießen Einhalt thun, und man zwingt Flesselles, dem Gouverneur neue Vorschläge zu machen.
Diese Deputierten kommen im Namen der Stadt, um Herrn de Launay aufzufordern, das Feuer einzustellen und, um zugleich das Leben der Bürger, das seinige und das der Garnison zu schirmen, hundert Mann Bürgergarde im Innern der Festung aufzunehmen.
Das ist es, was die Deputierten auf ihrem Wege verbreiten. Selbst erschrocken über die Unternehmung, die es begonnen, ist das Volk, das die Verwundeten und die Toten auf Bahren vorübertragen sieht, bereit, diesen Vorschlag zu unterstützen; de Launay soll eine halbe Niederlage annehmen, und es wolle sich mit einem halben Siege begnügen.
Bei ihrem Anblick hört das Feuer des zweiten Hofes auf; man bedeutet ihnen durch ein. Zeichen, daß sie näher kommen können, und sie nähern sich in der That, im Blute ausgleitend, über die Leichnahme steigend, den Verwundeten die Hand reichend.
Das Volk gruppiert sich zu ihrem Schütze. Leichname und Verwundete werden weggetragen; mit großen purpurroten Flecken das Pflaster der Hofe färbend, starrt das vergossene Blut.
Von seiten der Festung hat das Feuer aufgehört. Billot geht hinaus, um es zu versuchen, auch das Feuer der Belagernden einzustellen. Vor dem Thore trifft er Gonchon ohne Waffen, der Gefahr trotzend wie ein Inspirierter, ruhig, als ob er unverwundbar wäre.
Nun! fragte er Billot, was ist aus der Deputation geworden?
Sie ist in die Bastille eingetreten, erwiderte Billot; lassen Sie das Feuer einstellen.
Es ist unnötig, entgegnete Gonchon mit derselben Sicherheit,als ob er die Fähigkeit gehabt hätte, in der Zukunft zu lesen.
Gleichviel, respektieren wir die Kriegsgewohnheiten, da wir uns zu Soldaten gemacht haben.
Es sei, sagte Gonchon.
Dann wandte er sich an zwei Männer aus dem Volk, die unter ihm diese ganze Masse zu befehligen schien, und sprach:
Geht, Elie, geht, Hullin, und es falle kein Schuß mehr!
Auf die Stimme ihres Führers eilten die zwei Adjutanten, die Wogen des Volkes durchschneidend, fort, und bald nahm das Geräusch des Musketenfeuers allmählich ab, bis es endlich ganz erlosch.
Es trat ein Augenblick der Ruhe ein. Man benützte ihn, um für die Verwundeten, deren Zahl sich schon auf fünfunddreißig bis vierzig belief, Sorge zu tragen.
Wahrend dieses Augenblicks der Ruhe hört man zwei Uhr schlagen. Der Angriff hat um Mittag begonnen. Man kämpft also schon zwei Stunden.
Nillot ist an seinen Posten zurückgekehrt, und Gonchon ist ihm nun gefolgt.
Sein Auge wendet sich unruhig nach dem Gitter; seine Ungeduld ist sichtbar.
Was haben Sie? fragte ihn Billot.
Ist die Bastille nicht in zwei Stunden genommen, so ist alles verloren, antwortete Gonchon.
Und warum dies?
Der Hof wird erfahren, mit welcher Arbeit wir beschäftigt sind, und uns die Schweizer von Bezenval und die Dragoner von Lambesa schicken, und dann werden wir zwischen drei Feuer genommen.
Billot war genötigt, zu gestehen, es sei Wahres an dem, was Gonchon sagte.
Endlich erschienen die Deputierten wieder. Aus ihrer düsteren Miene ersah man, daß sie nichts erlangt hatten.
Nun! rief Gonchon strahlend vor Freude, was sagte ich?Die prophezeiten Dinge werden in Erfüllung gehen; die verfluchte Festung ist verurteilt.
Ohne nur die Deputation zu fragen, stürzte er sodann aus dem ersten Hof und schrie:
Zu den Waffen! Kinder, zu den Waffen! Der Kommandant verweigert!
Der Kommandant hatte in der That kaum den Brief von Flesselles gelesen, als sein Gesicht sich aufklärte, und statt den Vorschlägen, die man ihm machte, nachzugeben, rief er:
Meine Herren Pariser, Sie haben den Kampf gewollt, nun ist es zu spät.
Die Parlamentäre drangen in ihn und stellten ihm all das Unglück vor, das seine Verteidigung herbeiführen könne. Doch er wollte nichts hören und sagte am Ende zu den
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