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Angeklagt - Dr. Bruckner

Titel: Angeklagt - Dr. Bruckner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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bin hier Stammgast.« Er hielt sein Glas hoch, daß Barbara es sehen konnte. Sie lächelte. »Peter …« Sie deutete auf die Inschrift, die in das Glas eingraviert war.
    »Stammgäste haben hier ihre Gläser mit ihrem Vornamen. Das ist Tradition. Bitte, was trinken Sie?« Er nahm aus der Hand der Serviererin, die an den Tisch getreten war, die Weinkarte.
    »Wählen Sie einen Wein aus. Ich verstehe zu wenig davon«, erklärte sie.
    »Mögen Sie einen trockenen Wein? Ich trinke immer den trockensten, den es gibt.«
    »Bei dem Wein, den Herr Schnell trinkt, muß man vorsichtig sein«, berichtete die Serviererin lächelnd, »der ist so trocken, daß es staubt, wenn man beim Atmen nicht aufpaßt.«
    »Dann ist er gerade richtig für mich.« Barbara klappte die Weinkarte zusammen.
    »Ich bin sehr dankbar, daß Sie gekommen sind.« Peter Schnell stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und schaute Barbara mit ernsten Augen an. »Allein zu Haus wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen.« Er streckte seine Hand vor, und es sah aus, als wollte er Barbaras Hand ergreifen. Aber im letzten Augenblick hielt er sich zurück. »Es war schrecklich heute auf dem Friedhof.«
    »Sie hätten nicht mit Erde nach unserem Oberarzt werfen sollen«, sagte Barbara rasch.
    »Ich habe nicht geworfen. Die Erde ist mir einfach aus der Hand geglitten.« Schnell lehnte sich zurück. Er schloß für einen Augenblick die Augen. »Ich kann wirklich nichts dafür«, glaubte er sich entschuldigen zu müssen.
    »Das verstehe ich. Es gibt Affekthandlungen, die man einfach mit dem Verstand nicht steuern kann. Aber ich hoffe, daß sich alles inzwischen beruhigt. Ich glaube, Dr. Bruckner nimmt es Ihnen auch nicht weiter übel …«
    Die Augen Peter Schnells wurden zu kleinen Schlitzen. »Ob er es mir übelnimmt oder nicht, ist mir gleich. Sie haben vollkommen recht. Der Affekt ist vorbei, aber der klare Verstand ist geblieben. Er hat mir meine Mutter genommen. Und das kann ich ihm niemals verzeihen.«
    »Sind Sie da nicht ein bißchen ungerecht?« Barbara Pellenz rückte ein wenig zur Seite, um der Bedienung Gelegenheit zu geben, das Glas hinzustellen. »Man ist oft geneigt, mit seinem Urteil etwas zu schnell …«
    »Nein! Ich hatte den ganzen Nachmittag über Gelegenheit, mich mit der Sache auseinanderzusetzen. Dr. Bruckner wird noch von mir hören. Ich vernahm auch, daß dies bereits der dritte Fall ist …«
    »Es waren allesamt alte Menschen, die an einer unheilbaren Krebsgeschwulst litten«, unterbrach ihn Barbara.
    »Das gibt aber einem Arzt nicht das Recht, sie allesamt umzubringen.«
    »Ich möchte so harte Worte nicht hören.« Barbara griff nach dem Glas und schaute über den oberen Rand Peter Schnell an. »Für alle drei Patienten, die ich mitbetreut habe, war dieser Tod eine Erlösung. Sie hätten sonst noch einige Wochen schwer gelitten, hätten unter dem Einfluß von Morphium oder anderen Schmerz- und Betäubungsmitteln gestanden, deren Wirkung sich ja auch auf den Verstand legt.«
    »Das gibt einem Arzt aber nicht das Recht, ein Menschenleben vorzeitig auszulöschen.« Peter Schnells Stimme klang hart.
    »Niemand hat dazu beigetragen, diese Patienten in den Tod zu schicken«, verwahrte sich Barbara gegen die Anschuldigung.
    »Sie würden also auch einen Menschen vom Leben zum Tod befördern, wenn er sehr zu leiden hat?« Peter Schnells Stimme klang mißtrauisch. Fragend blickte er Barbara an. »Sie arbeiten doch über das Thema Euthanasie. Bedeutet das nicht so etwas? Einen Menschen, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, in den Tod zu schicken?«
    Barbara stellte das Glas auf den Tisch zurück, ohne getrunken zu haben. »Euthanasie bedeutet nicht, daß man einen Menschen in den Tod befördert. Das ist die Bedeutung, die man dieser Bezeichnung im Hitlerreich beigelegt hatte. Nein!« Barbaras Stimme klang energisch. »Euthanasie bedeutet aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt ›Schöner Tod‹. Das heißt, man soll den Mitmenschen würdig sterben lassen. Man soll ihn nicht, nur um sein Leben der Wissenschaft wegen zu verlängern, an Apparate hängen, ihn mit Gewalt einer unpersönlichen Atmosphäre aussetzen, die menschenunwürdig, weil seelenlos ist. Ich glaube, Sie haben niemals solche Sterbeanstalten gesehen – anders kann ich diese Stationen nicht nennen –, wo solche unglücklichen Menschen liegen. Schläuche gehen von ihnen aus, Drähte umgeben sie. Alles ist steril. Sie haben nie Gelegenheit, mit einem Menschen zu

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