Angélique - Hochzeit wider Willen
Toulouse bringen sollte. Der Marquis d’Andijos
nahm neben ihr Platz. Sein Schnurrbart wirkte wie mit Tinte gezeichnet, derart eifrig hatte er ihn mit parfümierter Pomade behandelt.
Unvermittelt ergriff Angélique seine Hand.
»Ach, Monsieur d’Andijos, ich wünschte so sehr, Ihr wäret mein richtiger Ehemann. Warum seid Ihr es nur nicht? Euch kenne ich wenigstens, und ich mag Euch gern.«
»Madame«, antwortete der Marquis und küsste ihr galant die Hand, »Ihr lasst mir Ehre angedeihen. Aber macht Euch nur keine Illusionen, weil ich so wohlgenährt bin. Ihr müsst wissen, dass ich ärmer als ein Bettler bin und ohne den Grafen de Peyrac dazu verurteilt wäre, in einem einfachen Hemd in meinem verfallenen Schloss zu leben, neben meinem verlassenen Taubenschlag. Alles, was ich habe, verdanke ich dem Grafen de Peyrac. Das sage ich Euch, damit Ihr nichts bereut. Er ist derjenige, der das Gold und die schönen Diamanten besitzt.«
»Ich kann ohne Gold und Diamanten auskommen. Ach, Ihr versteht nicht! Ich habe Angst!«
»Ihr habt Angst?«, wiederholte er. »Und wovor genau, mein Herz?«
Angélique gab keine Antwort, sondern rückte auf der Bank von ihm ab und ließ den Kopf an die staubige Fensterscheibe sinken. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu weinen.
Ratlos, aber gutwillig, glaubte er zu begreifen, was sie ängstigte und ihr Schamgefühl belastete.
»Habt keine Angst, mein Vögelchen«, sagte er in jovialem Ton. »Das haben alle Frauen zu allen Zeiten erdulden müssen. Die Geschichte geht nicht ohne einen kleinen Aufschrei ab; aber bald spielt eine andere Melodie. Und der Graf, Euer Gatte, ist ein Meister der Wollust. Glaubt mir, in der Grafschaft Toulouse werden heute viele schöne schwarze Augen weinen, und andere werden Euch mit eifersüchtigen Blicken durchbohren.«
Aber sie hörte ihm schon nicht mehr zu.
Seit einigen Minuten bemerkte sie, dass der Kutscher sein Gespann langsamer laufen ließ. Ein Stück vor dem Wagen versperrten Menschen zu Fuß und zu Pferde die Straße. Als die Kutsche zum Stehen gekommen war, hörte man die Gesänge und Rufe besser, die zum Rhythmus der Tamburine erklangen.
»Beim heiligen Severin«, schrie der Marquis und sprang auf, »ich glaube, Euer Gatte kommt uns entgegen.«
»Jetzt schon?«
Angélique spürte, wie sie erbleichte. Die Pagen rissen die Wagenschläge auf. Sie musste auf den Sand der Straße hinunterklettern, in die unbarmherzige Sonne. Der Himmel war tiefblau. Rechts und links des Wegs stieg von den Maisfeldern ein glühend heißer Hauch auf. In einer schillernden Farandole, einem Volkstanz aus der Provence, kamen die Menschen auf sie zu. Sie trugen eigenartige Kostüme, die mit großen roten und grünen Rauten gemustert waren. Kinder, ebenfalls in extravagante Livreen aus rosafarbenem, mit weißen Federn geschmücktem Satin gekleidet, hüpften nebenher, schlugen schwindelerregende Purzelbäume und polterten dabei gegen die Pferde.
»Die Fürsten der Liebe! Die Komödianten aus Italien!«, jauchzte der Marquis und breitete vor Begeisterung die Arme aus, womit er seine Nachbarn gefährdete. »Ah! Toulouse! Toulouse!«
Die Menge wich auseinander. Angélique erblickte eine große, schlaksige und leicht schwankende Gestalt, die in purpurroten Samt gekleidet war und sich auf einen Stock aus Ebenholz stützte.
Je näher dieser Mann herangehinkt kam, umso deutlicher erkannte man, von einer üppigen schwarzen Perücke umrahmt, ein Antlitz, das ebenso unschön anzusehen war wie sein Gang. Zwei tiefe Narben durchzogen auf der linken Gesichtshälfte
Schläfe und Wange und ließen das Augenlid herunterhängen. Die Lippen waren voll, und er war glatt rasiert, was nicht der Mode entsprach und das Ungewöhnliche seiner Erscheinung noch betonte.
Das ist er nicht, betete Angélique. Lieber Gott, mach, dass er es nicht ist!
»Euer Gatte, der Graf de Peyrac, Madame«, ließ sich neben ihr der Marquis d’Andijos vernehmen.
Kapitel 2
S ie versank in den einstudierten Knicks. In ihrer Bedrängnis fielen ihr lächerliche Einzelheiten auf: die diamantbesetzten Schleifen an den Schuhen des Grafen und auch, dass an einem davon der Absatz etwas erhöht war, um sein Hinken zu kaschieren; die gefältelten Seidenstrümpfe mit den kunstvollen Ziernähten; sein prächtiger Anzug, das Schwert und der gewaltige weiße Spitzenkragen.
Man sprach sie an; sie antwortete aufs Geratewohl. Das Schlagen der Tamburine, in die sich das laute Schmettern von Trompeten
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