Angélique - Hochzeit wider Willen
billigen, wenn jemand auf Rat des Arztes Schnupftabak nimmt, um die überschüssige Gehirnflüssigkeit abzuleiten; denn mir scheint, dass die Schnupfer daran eine ungesunde Freude finden und zu oft ihre Gesundheit nur als Vorwand benutzen, um bei jeder Gelegenheit Tabak einzunehmen. Aber die Pfeifenraucher sind der Abschaum unserer Tavernen, wo sie sich stundenlang mit dieser verfluchten Pflanze berauschen. Doch bis jetzt hatte ich noch nie gehört, dass ein Edelmann diese grobe Form des Tabaks gebraucht.«
»Ich besitze keine Pfeife, und ich schnupfe nicht, sondern ich rauche das gerollte Blatt, wie ich es bei manchen Wilden in Amerika gesehen habe. Niemand kann mir vorwerfen, ich sei so gewöhnlich wie ein Musketier oder so affektiert wie ein kleiner Hofbeamter...«
»Wenn es zwei Arten gibt, etwas zu tun, dann kann man sich stets darauf verlassen, dass Ihr eine dritte Art erfindet«, meinte der Erzbischof verstimmt. »So fällt mir gerade noch eine andere Eigenwilligkeit auf, die Ihr pflegt. Ihr gebt nämlich weder Krötenstein noch ein Stück vom Horn eines Einhorns in Euer Glas. Dabei weiß doch jedermann, dass dies die beiden besten Vorsichtsmaßnahmen gegen Gift sind, das eine feindliche Hand immer in Euren Wein geben kann. Sogar Eure junge Frau trägt diesem klugen Brauch Rechnung. Sowohl Krötenstein als auch Horn vom Einhorn wechseln die Farbe, sobald sie mit gefährlichen Substanzen in Berührung kommen. Und doch gebraucht Ihr sie nie. Haltet Ihr Euch für unverwundbar, oder... glaubt Ihr vielleicht, keine Feinde zu haben?«, fügte der Geistliche mit einem Aufblitzen in seinem Blick, das Angélique erstaunte, hinzu.
»Nein, Monseigneur«, gab der Graf de Peyrac zurück, »ich bin nur der Meinung, dass man sich am besten vor Gift schützt, indem man sein Glas nicht berührt und sich das Gift direkt zuführt.«
»Was meint Ihr damit?«
»Ich meine, dass man an jedem Tag seines Lebens eine winzige Dosis eines gefährlichen Gifts zu sich nehmen sollte.«
»Und das tut Ihr?«, rief der Erzbischof entsetzt aus.
»Schon seit frühester Jugend, Monseigneur. Ihr wisst sicherlich, dass mein Vater einem gewissen florentinischen Trank zum Opfer gefallen ist, und das, obwohl der Krötenstein, den er in sein Glas gab, so groß wie ein Taubenei war. Meine Mutter, die eine Frau ohne Vorurteile war, suchte nach der richtigen Methode, um mich zu schützen. Von einem maurischen Sklaven aus Narbonne hat sie dann gelernt, wie man sich durch Gift vor Gift schützt.«
»Euren Argumenten eignet stets etwas Paradoxes, das mich
beunruhigt«, meinte der Erzbischof besorgt. »Man möchte fast meinen, dass Ihr alles und jedes reformieren wollt; und dabei weiß doch jeder, welche Unruhen das Wort Reform in der Kirche und im Königreich hervorgerufen hat. Noch einmal, warum soll man eine Methode anwenden, über deren Wirksamkeit man sich nicht sicher sein kann, während die anderen doch vielfach bewiesen sind? Natürlich müssen dazu der Krötenstein oder das Horn vom Einhorn echt sein. Viel zu viele Scharlatane treiben Handel mit diesen Substanzen und verkaufen an ihrer Stelle alles Mögliche. Aber es könnte Euch beispielsweise mein Mönch Bécher, ein Rekollekt, der in der Wissenschaft sehr bewandert ist und in meinem Auftrag alchemistische Experimente durchführt, ausgezeichnete Exemplare beschaffen.«
Der Graf de Peyrac beugte sich ein wenig vor, um den Erzbischof anzusehen, und seine üppigen schwarzen Locken streiften Angéliques Hand. Sie zuckte zurück und erkannte in diesem Moment, dass ihr Mann mitnichten eine Perücke trug, sondern dass seine wallende Mähne echt war.
»Da möchte ich zu gern wissen«, erklärte er, »wie er selbst dazu kommt. Denn als Student habe ich mich sehr für das Sezieren interessiert und zahlreiche Kröten aufgeschnitten. Aber niemals habe ich in ihrem Gehirn den berühmten Schutzstein gefunden, den man Krötenstein nennt und der angeblich dort sitzt. Was das Horn vom Einhorn angeht, so kann ich Euch sagen, dass ich die ganze Welt bereist habe und meine Meinung dazu feststeht. Das Einhorn ist ein mythologisches Tier, ein Fabelwesen, kurz gesagt, ein Tier, das nicht existiert.«
»So etwas sagt man nicht, Monsieur. Manchmal soll man ein Rätsel auch auf sich beruhen lassen und nicht behaupten, alles zu wissen.«
»Ein Rätsel ist mir eher«, gab der Graf gedehnt zurück, »wie
ein Mann von Eurer Intelligenz ernstlich an solche... Fantastereien glauben kann...«
Herrgott,
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