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Angriff auf die Freiheit

Angriff auf die Freiheit

Titel: Angriff auf die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Ilija;Zeh Trojanow
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haben möchte, kann eins der Geräte, die momentan im Keller des Europaparlaments verstauben, für 120.000 Euro pro Stück erwerben. Ausnahmsweise gab es Proteste, als die EU dazu ansetzte, an Flughäfen Nacktbilder von sämtlichen Passagieren anzufertigen. Politik und Medien hatten die Öffentlichkeit wohl nicht sorgfältig genug für die neue Idee (alles, was technisch möglich ist, soll zum Einsatz kommen) präpariert. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist noch nicht gesprochen.

    Wir wollen Sie warnen. Aber ohne einen Aufruf zum Handeln laufen Warnungen ins Leere. Trotz allem, was wir in diesem Buch beschrieben haben, besteht genug Anlaß für Optimismus. Wir haben erlebt, wie der Kalte Krieg zu Ende ging, wir können uns an die Unfreiheit der Menschen im Ostblock erinnern, wir haben Hoffnung gefaßt auf ein friedliches Zusammenleben in unseren Breitengraden und in möglichst weiten Teilen der Welt. Die Demokratie ist kein Auslaufmodell, sie kann uns auch im gerade angebrochenen Informationszeitalter ein Leben auf der Grundlage von Freiheit und Selbstbestimmtheit garantieren, wenn wir sie nicht aufgeben. Doch leider ist auch eine gegenteilige Entwicklung denkbar. Wir wollen uns nicht in zwanzig Jahren dem Vorwurf stellen müssen, wir hätten es wissen und verhindern können. Wir wollen nicht die Frage beantworten, wie es denn gekommen sei, daß sich unsere Gesellschaften wie eine Horde entfesselter Halbstarker in einen Bandenkrieg hineinziehen ließen und darüber ihre Grundsätze vergaßen.
    Es gibt keinen determinierten Ablauf der »Geschichte«. Jedem Schritt liegt menschlicher Wille zugrunde. Deswegen fordern wir Sie auf, lieber Leser, zu erkennen, daß uns ein Kampf um unsere Freiheit und unsere Privatsphäre bevorsteht, ein Kampf, der sofort beginnen muß, denn die Zukunft unserer Gesellschaft wird gegenwärtig verhandelt, ohne daß unsere Meinung gehört wird. Wollen Sie warten, bis Ihren Kindern bei der Geburt ein Chip ins Halsfleisch gepflanzt wird, der eine sechzehnstellige Personenkennzahl enthält und über Satellit zu orten ist (so wie es bei Ihrem Haustier, falls Sie eins haben, schon der Fall ist)?
    Was Sie tun können? Sehr viel. Zunächst einmal können Sie Ihre eigene Einstellung überprüfen. Streichen Sie die Wendung »Ich habe ja nichts zu verbergen« aus Ihrem Wortschatz, denn wer nichts zu verbergen hat, der hat bereits alles verloren. Es ist gut, daß Sie etwas zu verbergen haben, und so sollte es auch bleiben. Verteidigen Sie Ihre Geheimnisse, sie gehören Ihnen.
    Erliegen Sie nicht den simplen Freund-Feind-Schemata, die Ihnen tagtäglich aufgetischt werden. Sagen Sie nicht »die Moslems«, es sei denn, Sie möchten mit allen »Christen« über einen Kamm geschoren werden. Stehlen Sie sich nicht aus der Verantwortung, indem Sie sich einreden, daß die Guantánamo-Insassen an ihrer Lage schon irgendwie selbst schuld seien. Mißtrauen Sie verführerisch einfachen Erklärungen. Hören Sie nicht auf Menschen, die unsere friedliche Gesellschaft als »verweichlicht« und »hedonistisch« beschimpfen. Überprüfen Sie die Aussagen von Politikern auf ihren Tatsachengehalt, wenn Begriffe wie »Terrorismus« oder »Terrorverdächtiger« fallen, und verzichten Sie selbst auf Vokabeln wie »Kulturkampf« oder »clash of civilizations«. Distanzieren Sie sich von Panikmache und Skandallust.
    Entwickeln Sie eine Sensibilität für den Wert Ihrer Daten und Ihrer Intimsphäre. Geben Sie nicht an jeder Supermarktkasse alles preis, nur um sich einen läppischen Rabattvorteil zu verschaffen, entblößen Sie sich nicht auf MySpace , nur um sich wichtig zu machen. Analysieren Sie, wie politische Parteien mit der Privatsphäre des Einzelnen umgehen, und überlegen Sie sich, welche von ihnen wählbar ist. Setzen Sie Ihren Bundestagsabgeordneten unter Druck, in dieser Frage Farbe zu bekennen. Machen Sie sich klar, daß ein Staat nicht »gut« ist durch das, was er darstellt, sondern höchstens durch das, was er tut.
    Wir sind dabei, unsere persönliche Freiheit gegen ein fadenscheiniges Versprechen von »Sicherheit« einzutauschen. Die gegenwärtige Gleichgültigkeit im Umgang mit der Privatsphäre läßt ahnen, wie Staat und Konzerne in Zukunft über uns verfügen werden, sollten wir ihnen erlauben, noch umfassendere Instrumente der Kontrolle einzuführen.
    Dann wird es allerdings zu spät sein zum Widerstand. Ein autoritärer Staat kann jeden Protest im Keim ersticken, mit Hilfe von Gesetzen, die heute

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