Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
Handelshaus war entsprechend preiswert, und ich halte sie heute noch in Ehren: der seit 1947 in der Schweiz produzierte Kartoffelschäler »Rex« aus Edelstahl ist das beste Produkt seiner Art und kostet nur 1,70. Es ist der Geräteveteran meiner Küche, und ich habe mich wirklich erst ein paar Mal daran geschnitten!
Das jacken- und hosentaschentaugliche Notizbuch »Kompagnon« diente schon Bruce Chatwin und anderen Literaten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Aufzeichnung von Beobachtungen und Notizen. Solche Tradition verheißt dem Erwerber Erfolg! 192 fadengebundene Seiten aus tintenfestem Papier, Lesebändchen, Gummizug zum Verschließen, eine Einstecktasche im Deckel, ein vinylbeschichteter Einband und – wirklich wichtig – eine Stiftlasche zum Einstecken eines Schreibgerätes sind für nur 8,50 ein nützliches Geschenk für jeden, der schreibt.
Widerstanden habe ich bislang der Anschaffung von Omas Kolbenfüller zum Preis von 660,00. Mein betagter »Pelikan« von 1965 kleckst heute noch so gut wie vor vierzig Jahren und wird entsprechend ungern benutzt. Auch zur mechanischen Schreibmaschine »Olympia« habe ich trotz des Schnäppchenpreises von 540,00 ein gespaltenes Verhältnis. Ich erinnere mich gut der grauen Zeiten, in denen jeder Brief und jede Manuskriptseite einzeln getippt und mit Hilfe von schmierigem, nachtblauem Kohlepapier durchgeschrieben werden musste. Zudem fehlt ein Teil der beschworenen Nostalgie: Manufactum bietet kein Durchschlagpapier an. Sicherheitsabstand halte ich schließlich auch zur Bücherwand »Shannon«, nachdem ich überschlug, dass die entsprechende Umquartierung meiner Bibliothek mehr als zwanzigtausend Taler plus endlos viele Arbeitsstunden kosten würde. – Da investiere ich lieber in Inhalte als in Optik.
»Form follows function«, lautet einer der Grundlehren der Gestaltungskunst. Dinge, die lediglich als schöne Schauobjekte dienen, haben meist geringen Gebrauchswert. Fakt ist aber, dass wir überschüttet werden mit Hochtechnologie, die teilweise nur nach der Lektüre voluminöser Bedienungshefte benutzt werden kann. Entsprechend schwierig ist der Umgang mit Geräten des täglichen Bedarfs geworden. »Plug and Play« steht längst als Werbewitz. Glücklich, wer einen Freund bitten kann, das neue WLAN-Netz, den günstig erworbenen DVD-Rekorder, das ultramoderne MMS-Handy oder die Digitalkamera in Gang zu setzen und zu programmieren.
Konsequent entwickelt sich eine neue Zielgruppe, die elektronisch abrüsten möchte. Man mag sie als »Manufactum-Klientel« beschreiben – Menschen, die Gebrauchsgegenstände ohne überflüssigen Zusatz wollen. Es sind Verbraucher, die lieber einen von den in Pennsylvania siedelnden Amish-People produzierten mechanischen Handquirl nutzen als eine blitzmoderne Kitchen-Aid-Maschine. Gerade für eine alternde Gesellschaft ist es wichtig, dass die Geräte auf das Nötigste reduziert sind und keine sinnlosen Funktionen haben. Damit öffnet sich ein neuer Markt für diejenigen, denen die sprunghafte technische Entwicklung ein Gräuel ist, und die ihre technikfeindliche Haltung auch gern ideologisch abfedern. Der Händler im Retro-Look bedient folglich vorwiegend Kunden mit gehobenem Einkommen ab 45+ Marke Oberstudienrat. »Best Ager« werden sie im Kastendenken der Werbewirte in jüngster Zeit genannt.
Meiner Nichte ist es schnuppe, ob Olivenöl von grauhaarigen Mönchen, die in unzugänglichen Einsiedeleien hausen, mit nackten Füßen ausgepresst wird oder aus einer voll automatisierten spanischen Fabrik stammt. Preis und Vorhandensein im Regalsystem der Discounter bestimmen ihr Kaufverhalten. Insofern ist mir ihre Meinung nachvollziehbar, das Interesse an teuren Qualitätsprodukten sei ein Hobby alter Säcke mit zu viel Zeit und Geld. Deshalb sei der Katalog auch eine geniale Möglichkeit, die Generation der sonst so kritisch eingestellten Alt-68er in Bann zu schlagen.
Mich ficht die Meinung des Backfischs wenig an, denn auch in diesem Fall verhält sich die Wahrheit wie der Mond: manchmal verschwindet sie hinter den Wolken. Der Mythos der guten, alten Dinge jedenfalls bleibt bestehen. So stöbere ich weiter mit kindlicher Freude in dem Werk und träume von goldenen Zeiten.
Kau mir mein Ohr ab!
Zur Siesta dämmere ich auf meinem zerschlissenen Lieblingssofa und habe die bald hundertjährige honiggelbe Erbdecke über meine müden Beine gezogen, da winselt das Telefon und reißt mich aus meinem
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