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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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unter dem kurz geschorenen rötlichen Haar verlieh ihm eine Aura schierer Gewalttätigkeit.
    Er ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte, und sie senkte hastig den Blick. Das bedrohlich kalte Funkeln der schwerlidrigen Augen, die beunruhigend hell aus dem fleischigen Gesicht blickten, sprach eine deutliche Sprache. Als Ida das nächste Mal wagte, zu ihm hinüberzublinzeln, hatte er sich abgewandt und beugte sich zu einem der verdächtig aussehenden Männer an dem Tisch neben der Tür. Er redete leise und eindringlich auf ihn ein und unterstrich seine Worte mit bekräftigenden Gesten seiner plumpen Hand.
    Ida entspannte sich und lehnte sich wieder zurück, damit ihr Gesicht im Schatten lag. Unter gesenkten Lidern behielt sie den riesigen Wirt im Auge und überdachte ihr Vorgehen. Die Schankmaid brachte ihr unaufgefordert den zweiten Humpen Bier, und Ida dankte zerstreut. Sie versuchte abzuschätzen, wie der Wirt ihre Fragen nach Simon oder seinem Vater aufnehmen würde. Fragen, welcher Art auch immer, waren in einem Sicheren Haus nicht willkommen. Der Wirt dieses Gasthauses machte ihr noch dazu einen besonders argwöhnischen Eindruck.
    Ida seufzte unhörbar und entschied, das Problem auf den nächsten Tag zu verschieben. Sie würde den Wirt am Vormittag aufsuchen und hoffen, dass das freundliche Licht der Sonne dazu beitragen würde, sein Misstrauen zu zerstreuen. Vielleicht war es nicht ungünstig, Dorkas zu erwähnen. Sie schien ja allem Anschein nach irgendwie mit dem Kerl zurechtgekommen zu sein.
    Ida leerte den Humpen. Es war ihr dritter, stellte sie amüsiert fest, die Schankmaid war genauso geschäftstüchtig wie der Schmied. Inzwischen spürte sie unangenehm ihre übervolle Blase. Als sie aufstand, bemerkte sie auch noch die andere, eher benebelnde Wirkung, die das starke, herbe Bier auf sie hatte. Sie grinste ein wenig beschämt und entschied, sich um den Teil ihrer körperlichen Beeinträchtigungen zu kümmern, gegen den sie sofort etwas unternehmen konnte.
    Sie ging zur Hintertür, die sie auch einige der anderen Gäste in der letzten Stunde häufiger hatte frequentieren sehen, und trat hinaus in einen kleinen ummauerten Hof, in dem sich allerlei Gerümpel und leere Fässer stapelten. Ihre Nase wies ihr unfehlbar den Weg in eine der Ecken.
    Es war kühl geworden, und die ersten Sterne funkelten über ihr am tiefblauen Himmel. Eilig richtete sie ihre Kleider und wandte sich zurück zur Tür, als unvermutet ein mächtiger Bauch ihr den Weg versperrte. Sie warf einen flüchtigen Blick in das Gesicht seines Besitzers und murmelte: »Entschuldigt«, während sie versuchte, sich an dem riesenhaften Wirt vorbeizudrängen. Er hob beiläufig einen baumstammdicken Arm und versperrte ihr den Eingang.
    »Was fällt Euch ein?«, fuhr sie verärgert auf und griff nach seinem dicken Handgelenk, um den Arm beiseite zu schieben. Ihre Finger waren kaum in der Lage, das Gelenk zu umspannen. Der Arm bewegte sich keinen Zentimeter, und der riesige Mann blickte keineswegs wohlwollend über seinen stattlichen Bauch hinweg auf sie herab. Ida trat einen Schritt zurück, um dem Gemisch aus Schweißgeruch und schalem Bierdunst zu entgehen, und fragte mühsam beherrscht: »Warum lasst Ihr mich nicht passieren, Wirt?«
    Seine hellen, verschlagenen Augen musterten sie misstrauisch vom Kopf bis zu den Füßen. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Wer schickt Euch?«, fragte er schließlich. »Ich habe bemerkt, dass Ihr mich den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen habt. Wer hat Euch beauftragt, mir hinterherzuspionieren?« Seine heisere, tiefe Stimme klang gelassen, aber eine unausgesprochene Drohung schwang darin mit.
    »Ich weiß nicht, warum Ihr Euch verfolgt fühlen müsst, Wirt, und es interessiert mich auch nicht. Aber Ihr habt Recht, wenn Ihr sagt, dass ich Euch beobachtet habe. Ich suche jemanden. Der Schmied hier sagte mir, dass Ihr mir vielleicht weiterhelfen könnt.«
    Das Misstrauen wich nicht aus den fleischigen Zügen des riesigen Mannes. Er kniff seine Augen zusammen und verzog den erstaunlich fein geschwungenen Mund zu einem höhnischen Lächeln. »Euch helfen, Gildenweib? Warum sollte ich das wohl tun?« Er schnaubte verächtlich.
    Ida starrte ihn mit plötzlichem Erschrecken an. Licht aus einem der seitlichen Fenster fiel auf sein Gesicht und malte scharfe Schatten darauf. Vertraute Züge waren unter all dem Fett begraben. »Simon?«, ächzte sie konsterniert. »Simon, du bist es?«
    Er glotzte sie einen

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