Animal Tropical
Ruhe!«
Scheinbar entfernt sich der Junge. Ich frage Gloria:
»Geht Armandito nicht zur Schule?«
»Heute ist Samstag.«
»Was will er?«
»Ein Brüderchen.«
»Ja? Und du?«
»Ich will vier oder fünf.«
»Nerv mich nicht, Gloria.«
»Ich habe es dir immer gesagt. Ich will ein Kind von dir.«
»Eins vielleicht, aber nicht drei oder vier.«
»Lass uns erst einmal eins haben, dann sehen wir weiter.«
Da kommt Armandito zurück, um uns erneut zu unterbrechen. Er hat Baisers gemacht und bringt uns einen Teller voll. Zuerst legt Gloria zwei davon den Orishas hin und widmet sie ihnen. Dann essen wir die anderen. Ich sehe sie an, während ich ihr die Baiserreste von den Fingern lecke. Ich mag ihre ungepflegten und von den Putzmitteln ruinierten Hände.
»Ich mag deine Hände.«
»Sie sind ziemlich hässlich.«
»Ich mag nichts Hübsches, Perfektes oder Sauberes. Das weißt du.«
»Das sagst du mir zwar immer, aber ich verstehe dich nicht.«
»Deine Hände haben mehr Leben.«
»Ich habe viel gearbeitet.«
»Nicht nur als Hure?«
»Ach, Pedro, sei nicht blöd. Wirkliche Arbeit. In Cafeterien und Häusern von Leuten mit Geld. Im Vedado und im Miramar. Habe geschrubbt, gewaschen, geputzt.«
»Nur nicht gekocht.«
»Woher weißt du das?«
»Weil du furchtbar schlecht kochst.«
»Niemand hat es mir gezeigt.«
»Du hast nie kochen lernen können. Als die Krise begann, warst du zwanzig, also hat’s für dich nur Reis mit Bohnen gegeben, weiter nichts.«
»Ich freue mich, wenn’s Reis mit Bohnen gibt.«
»So lernst du nichts dazu.«
»Du kannst gut kochen.«
»Ich bin älter. Ich habe mehr Zeit gehabt. Wenn die Leute in diesem Land wieder essen können, wirst du es schon noch lernen. Man muss nur Essen zur Verfügung haben.«
»Bringst du es mir bei?«
»Klar. Such dir einen Job in einer Cafeteria. Dann kannst du Tony el Pelú zum Teufel schicken.«
»Ach, immer wieder dasselbe.«
»Was ist immer wieder dasselbe?«
»Pedro, ich habe in mindestens … zehn, zwölf Cafeterien gearbeitet. Alle Geschäftsführer sind gleich. Das Einzige, was sie wollen, ist ihren Schwanz reinstecken. Sie geben dir den Job und wollen ihn dir jeden Tag reinstecken. Bis sie sich langweilen. Dann suchen sie sich irgendeinen Vorwand, werfen dich raus und suchen sich eine andere, die ihnen gefällt, um dasselbe mit ihr zu machen. Und es ist egal, ob du in einem Club tanzt oder in einem Cabaret, oder ob du für die Leute mit Geld arbeitest, die im Nuevo Vedado und im Miramar wohnen. Alles, was sie wollen, ist den Schwanz reinstecken.«
»Nicht alle sind so. Ich denke mir …«
»Hast du je in einer Cafeteria gearbeitet? Bist du je im Miramar Bedienstete für ein hohes Tier gewesen? Warst du je Tänzerin?«
»Nein.«
»Dann red nicht über Dinge, von denen du nichts weißt.«
»Ohhh.«
»Männer sind geile Böcke und Ausbeuter. Darum gefällt es mir, sie zu besteigen und ihnen das Geld abzuknöpfen.«
»Auch mir?«
»Dir nicht. Ich mag dich sehr, weiß aber nicht, was ich denken soll.«
»Du weißt es noch immer nicht?«
»Ich weiß nicht. Manchmal glaube ich dir, manchmal nicht.«
»Ich mag dich wahnsinnig gerne.«
»Ich dich auch, aber ich weiß nicht, was ich denken soll.«
»Naja …«
»Ich lasse mir nichts mehr vormachen, Pedro Juan. Alle versprechen einem das Blaue vom Himmel, und was sie schließlich wollen, ist schnell einen wegstecken, ihren Saft abspritzen und ihrer Wege gehen. Später kennen sie einen nicht mehr. Und wenn du schwanger wirst, behaupten sie, es sei nicht von ihnen. Weißt du, wie oft ich schon abgetrieben habe?«
»Nein.«
»Zweimal, bevor ich ihn bekam, und dreimal danach. Denn ihr alle spritzt euren Saft ab, ohne nachzudenken, und man selbst ist die … ach, was soll man darüber noch Worte verlieren?«
»Du hast ein Herz aus Stein.«
»Vielleicht.«
»Man hat dich in den Arsch getreten, und du hast anderen in den Arsch getreten.«
»Du bist zwar manchmal sehr zärtlich, Schätzchen, aber du hast die Seele eines Zuhälters und Hurensohns. Du magst Nutten und vulgäres Pack. Du bringst mich durcheinander.«
»Ich bin auch durcheinander.«
»Du weißt gar nicht, was du willst, Pedro Juan.«
»Niemand weiß, was er auf dieser Welt will. Wir leben in Chaos und Konfusion.«
»Das stimmt. Manchmal fühle ich mich verloren und weiß weder, was ich tue, noch, warum ich es tue.«
»Du hast nie einen Mann wie mich gehabt: einen Mörder, Frauenzerstückler, einen Sadisten und
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