Animal Tropical
Fernsehprogramm guckt. Juan del Río fand diesen Stil anbetungswürdig.
»Oh, niemand hat mich je so erniedrigt, er ist genial, dieser Neger! Er dringt in mich ein und bleibt so eine halbe Stunde, ohne aufzuhören oder mich auch nur anzusehen. Automatisch bewegt er sich vor und zurück und schenkt alle Aufmerksamkeit dem Fernseher. Am liebsten sieht er Filme von Bruce Lee und die Zeichentrickfilme von Woody Woodpecker und Bugs Bunny.«
Das Abendessen bestand ausschließlich aus Meeresfrüchten, leicht gebraten in feinen Kräutern. Scharfe Saucen und Wein in rauen Mengen. Zum Nachtisch wurde ein Kuchen aus Alraun und Ginseng serviert, ein mexikanischer Käse, gefüllt mit Chili und Peyote, und eine holländische Maria, aus gentechnisch manipuliertem Marihuana zur Verbesserung der Wirkung. Ich rauchte einen Joint aus dieser postmodernen Maria, benetzt mit Kirschweinbrand, dazu der Peyote aus dem Käse. Ich musste mich zusammenreißen, um keinen Striptease zu veranstalten. Es gelang mir, meinen angeborenen Hang zum Exhibitionismus unter Kontrolle zu halten. Wir waren acht oder zehn, einschließlich einer gewissen spanischen Schriftstellerin in den Fünfzigern – vielleicht Sechzigern – mit ihrem zwanzigjährigen Lustknaben. Genauso betrunken wie ich oder noch mehr. Ich sprach. Wir sprachen. Und dann verlor ich das Gedächtnis. In irgendeinem Moment wurde Juan del Río aggressiv und packte mich bei den Eiern. Ich schob seine Hand weg.
»Vorsicht, du bist da auf feindlichem Territorium.«
»Ach, Kleiner, in deinen Büchern bist du ein grausamer Wolf, aber im wirklichen Leben bist du ein Lämmchen.«
»Ja, lass mich Lämmchen sein, und geh mir nicht auf die Nerven. Reicht dir dein Mordsneger nicht?«
Danach sprach ich ein bisschen mit der Schriftstellerin. Das Einzige, woran ich mich erinnern kann, war, dass der Diplomat sie fragte:
»Was erzählt Pedro Juan? Warum spricht er so leise?«
Und sie mit schleppender Zunge:
»Er flüstert mir ins Ohr. Privates. Sagt, er pflegt seinen Schwanz. Gönnt ihm jeden Tag ein Sonnenbad auf seiner Dachterrasse.«
Und der begeisterte Diplomat:
»Oh, Pedro Juan, lad uns unbedingt mal auf deine Dachterrasse ein. Er muss spektakulär sein.«
An mehr erinnere ich mich nicht. Weder weiß ich, wer mich nach Hause schleppte, noch, wie ich die Treppen hochkam oder wie ich die Tür aufkriegte und ins Bett fiel. Ich nehme an, dass mich letztendlich niemand vergewaltigt hat. Als ich aufwachte, war es zwei Uhr nachmittags, und ich spürte einen bohrenden Sprengkörper in meinem Gehirn. Ich schwor mir, nie wieder eine dieser holländischen Marias anzurühren. Die Einzige, die ich immer ganz gut im Griff habe, ist die kreolische aus Baracoa. Ich hatte höllischen Durst. Es gelang mir, aufzustehen. Ich suchte Aspirin, kochte Kaffee und rief Gloria.
Sie kam sofort herauf. Gab mir die Peitsche zurück. Seit Wochen lag sie in ihrer Wohnung.
»Hier, Süßer, behalt sie.«
»Warum? Was hast du mit ihr gemacht?«
»Nichts. Ich hab mit ihr zwischen den Beinen geschlafen.«
Sie schweigt, während ich meinen Kaffee austrinke.
»Du bist rätselhaft: heute.«
»Was ist das?«
»Ahm … geheimnisvoll.«
»Ach was. Ich bin nicht geheimnisvoll.«
»Traurig.«
»Ja.«
»Warum?«
»Das passiert mir halt manchmal.«
»Ohne Grund?«
»Wenn ich zu viel denke. Ich denke nicht gern nach, weil ich sonst traurig werde und heulen möchte.«
»Wenn du heulst, dann weil dich etwas schmerzt.«
»Du und mein Vater.«
»He?«
»Mein Vater ist in Mexiko geblieben. Vor vier Jahren.«
»Das hast du mir nie erzählt.«
»Wozu auch? Außerdem hast du ihn gar nicht gekannt. Er ist Musiker. Fünfundsechzig ist er gestern geworden. Und ich weiß, dass es ihm nicht gut geht.«
»Hat er dir geschrieben, dass es ihm schlecht geht?«
»Nein, aber ich weiß es. Die Zigeunerin flüstert es mir ins Ohr. Sie hat es mir diese Woche zweimal gesagt.«
»Und du willst zu ihm.«
»Er hat kein Geld, um mich kommen zu lassen oder sonst etwas. Jeden Monat schickt er uns dreißig oder vierzig Dollar. Damit hat sich’s. Ich weiß, er kratzt alles zusammen.«
»Hmmm.«
»Das ist das Problem, mein Süßer. Er auf der einen Seite, du auf der anderen. Und dann der Junge. Nein, nein, nein! Ich darf nicht so viel nachdenken, sonst werde ich wahnsinnig. Drei Männer in meinem Leben! Einer ist sieben, der andere fünfzig und der dritte fünfundsechzig.«
»Trink deinen Kaffee, und lass dem Leben seinen Lauf.«
»Ja. Mit
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