Anleitung zum Müßiggang
über seine Leistungen und Fehler von gestern nachdenken und das Wichtige vom Belanglosen im vor ihm liegenden Tagesprogramm trennen. Besser, wenn er um zehn Uhr und als Herr der Lage in seinem Büro erscheint, als wenn er pünktlich um neun oder gar Viertel vor dort ankommt, um auf seine Untergebenen wie ein Sklaventreiber aufzupassen und »grundlos Theater zu machen«, wie die Chinesen sagen.
Dieser Gedanke, dass halbwach im Bett zu liegen das Leben des Müßiggängers tatsächlich effizienter machen könnte, kam zur Sprache, als ich den Dichter John Cooper Clarke interviewte. Er benutzt das morgendliche Vorsich-Hindösen, sagte er, um sich zu überlegen, was er an diesem Tag anziehen wird. Seine Gedanken wandern frei und vergnüglich durch seinen Kleiderschrank und wägen verschiedene Kombinationen von Stilen, Farben und Materialien gegeneinander ab. Das Ankleiden ist dann nach diesem kleinen geistigen Training ein Kinderspiel, an keiner Stelle auch nur annähernd so ermüdend und beschwerlich, wie es zunächst erscheint.
Der menschenfreundliche, streitsüchtige, glänzende Journalist G.K. Chesterton war ebenfalls einer, der gegen den Gedanken zu Felde zog, frühes Aufstehen sei moralisch gut und im Bett zu bleiben moralisch schlecht. Er nahm stattdessen einen liberalen Standpunkt ein: Der Zeitpunkt, wann wir aufstehen, sollte der persönlichen Entscheidung überlassen sein. »Der Ton, der jetzt gemeinhin gegen die Praxis angeschlagen wird, im Bett liegen zu bleiben, ist heuchlerisch und gefährlich«, schreibt er 1909 in seinem Essay »On Lying in Bed«. »Statt, wie es eigentlich sein sollte, die Sache als Frage persönlicher Bequemlichkeit und Gewohnheit zu betrachten, wird sie heute zumeist so behandelt, als gehöre es zu den Grundlagen moralischen Handelns, früh am Morgen aufzustehen. Alles in allem ist es eine Frage praktischer Erfahrung; aber nichts daran ist gut, und am Gegenteil ist nichts Schlechtes.«
Größe und spätes Aufstehen sind natürliche Bettgenossen. Spätes Aufstehen gehört zum geistig Unabhängigen, dem Individuum, das sich weigert, Sklave der Arbeit, des Geldes und des Ehrgeizes zu sein. In seiner Jugend pflegte der große Dichter des Müßiggangs Walt Whitman gegen halb zwölf in der Redaktion der Zeitung zu erscheinen, für die er arbeitete, und um halb eins verließ er sie wieder zu einer zweistündigen Mittagspause. Nach dem Mittagessen noch eine Stunde Arbeit, und dann war es an der Zeit, sich in die Stadt aufzumachen.
Also was können wir tun? In meinem Fall hat sich mein Leben dramatisch verbessert, als ich den Wecker abschaffte. Ich fand heraus, dass man sich beibringen kann, ohne Wecker ungefähr zur richtigen Zeit aufzuwachen – wenn man das Pech hat, eine »richtige Zeit« haben zu müssen. Auf die Weise wacht man langsam, natürlich und vergnügt auf. Man verlässt das Bett, wenn man bereit dazu ist, und nicht, wenn jemand anderer es von einem verlangt. Passé ist die tägliche Qual, von dem mechanischen Klingeln aus dem süßen Schlaf gerissen zu werden. Hilfreich ist natürlich auch, keinen Job zu haben und sein eigener Herr zu sein. Doch selbst wenn du zu einer Tätigkeit gezwungen bist, rate ich, es auszuprobieren. Es funktioniert. Und es könnte dein erster Schritt zum Müßiggang sein.
Natürlich ist es nicht immer leicht, sich in der Behaglichkeit des eigenen Bettes turmhoch überlegen zu fühlen, wenn sich um einen herum Menschen abrackern. Manchmal wird der hingebungsvolle Langschläfer rüde geweckt durch das Geschrei von Bauarbeitern, die Geschäftigkeit von Hausbewohnern, das Gequengel von Kleinkindern oder sogar durch die Rosenfinger der Morgenröte, die sie durchs Fenster streckt. Diese Schlafhindernisse gilt es auszusperren, wenn du deinen morgendlichen Halbschlaf genießen willst. Darf ich dir also noch einen praktischen Tipp geben? Schaffe dir Ohrstöpsel, Rollläden und eine Augenmaske an. Mit diesen einfachen Dingen kannst du deine Zeit des Dösens ausdehnen. Und was Kinder angeht: Je früher sie dazu erzogen werden, von allein aufzustehen und sich selbst Frühstück zu machen, desto besser.
Am Anfang dieses Kapitels habe ich gesagt, Benjamin Franklins »Früh schlafen gehen und früh aufstehn«-Spruch habe nicht nur Elend in die Welt gebracht, sondern sei auch falsch. Inwiefern? Nun, wenn ich an Leute mit Reichtum, Weisheit und Wohlergehen denke, sehe ich unter ihnen Künstler, Schriftsteller, Musiker und Arbeitgeber. Es ist allgemein bekannt, dass
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