Anleitung zum Müßiggang
notierte, dass sie selbst über ihre Zeit entscheiden konnten: »So kam es, dass der Weber meist imstande war, etwas zurückzulegen und sich ein kleines Grundstück zu pachten, das er in seinen Mußestunden – und deren hatte er so viele als er wollte, da er weben konnte, wann und wie lange er Lust verspürte – bearbeitete«, schrieb er 1845 in seiner Studie Die Lage der arbeitenden Klasse in England. »Sie brauchten sich nicht zu überarbeiten, sie machten nicht mehr, als sie Lust hatten, und verdienten doch, was sie brauchten.«
Außer diesem autonomen Leben voller Freizeit besaßen die Weber die Kontrolle über den gesamten Produktionsprozess: Sie stellten das Tuch her und verkauften es an einen reisenden Händler. Es war ein schlichtes, unkompliziertes Leben; Engels beteuert, dass sie wenig Kenntnis oder gar ein Interesse daran hatten, was in einem anderen Dorf, vielleicht fünf Meilen entfernt, geschah. Aber sie waren keinem Job verpflichtet; sie orientierten sich an Aufgaben, statt sich an einen Job von neun bis fünf (oder seinen noch brutaleren Vorgänger von Hellwerden bis Dunkelwerden) binden zu lassen. Sie arbeiteten so viel wie sie mussten, und nicht mehr. Zeit war nicht Geld, wie Benjamin Franklin später behaupten sollte. E. P. Thompson zitiert in Customs In Common (1991) aus einem Bericht über mexikanische Minenarbeiter des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, um eine Vorstellung von vorindustriellen Arbeitsmodellen zu vermitteln. Die eigenwilligen Mexikaner waren »bereit, nur drei oder vier Tage pro Woche zu arbeiten, wenn damit die lebensnotwendigen Dinge bezahlt werden konnten«. Sie zogen es vor, für ein ganzes Projekt statt nach den Stunden, die sie dafür aufwendeten, bezahlt zu werden: »Erhält er einen Vertrag und die Zusicherung, dass er so und so viel für jede Tonne, die er abbaut, erhält, und dass es nicht darauf ankommt, wie lange er dafür braucht oder wie oft er sich hinsetzt, um über das Leben nachzudenken, dann arbeitet er mit einer Besessenheit, die bemerkenswert ist.« Wahrscheinlich, weil er desto eher in die Kneipe gehen konnte, je schneller er mit der Arbeit fertig wurde.
Unsere glücklichen vorindustriellen Mexikaner und die Kleinbauern vor 1750 sahen keine Notwendigkeit, mehr Stunden zu arbeiten, als für ihre Versorgung mit Fleisch und Bier nötig waren. Thompson schreibt: »Das Arbeitsmodell sah den Wechsel zwischen Perioden intensiver Arbeit und Muße überall dort vor, wo die Menschen ihr Arbeitsleben selbst unter Kontrolle hatten.«
Arbeit und Leben waren ineinander verflochten. Ein Weber mochte vielleicht an einem regnerischen Tag acht oder neun Yards weben. An anderen Tagen, berichtet uns ein Tagebuch aus der Zeit, webte er vielleicht nur zwei Yards, bevor er »allerlei Tätigkeiten an der Drehbank und auf dem Hof verrichtete & am Abend einen Brief schrieb«. Oder er ging vielleicht Kirschen pflücken, arbeitete an einem Damm der Gemeinde, half der Kuh beim Kalben, fällte Bäume oder sah am Galgen einer öffentlichen Hinrichtung zu. Als Nebenbemerkung fügt Thompson hinzu: »Das Modell besteht unter einigen Selbständigen – Künstlern, Schriftstellern, Kleinbauern und vielleicht auch bei Studenten – [Nichtstuern allesamt] heute noch weiter und fordert zu der Frage heraus, ob es nicht ein ›natürlicher‹ menschlicher Arbeitsrhythmus ist.«
Damals, vor der Erfindung der dunklen, satanischen Fabriken, war England eine Nation von Müßiggängern. Doch diese chaotische Haltung störte zeitgenössische Moralisten, die glaubten, die Menschen müssten auf Trab gehalten werden, damit sie keine Dummheiten machten. Im Jahr 1820 notierte der Mittelschicht-Beobachter John Foster entsetzt, dass Landarbeiter nach getaner Arbeit noch »mehrere Stunden am Tag so verbringen können, wie sie wollen ... Sie sitzen ... stundenlang zusammen ... auf einer Bank oder legen sich auf eine Bank oder ein Hügelchen ... äußerster Untätigkeit und Trägheit überantwortet.« Und frühe Architekten der Industriellen Revolution, wie etwa Matthew Boulton und Josiah Wedgwood, beklagen sich in Briefen häufig über die Faulheit ihrer Arbeiter.
Aber die neue protestantische Arbeitsmoral hatte Erfolg. Die Industrielle Revolution war vor allem ein Kampf zwischen harter Arbeit und Faulheit, und die harte Arbeit hat gesiegt. Maschinen raubten den Herstellungsprozess aus Händen und Köpfen. Werkstätten wurden zu »Manufakturen«; Selbständige wurden zu Arbeitnehmern; Familien begannen, von
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