Anleitung zum Müßiggang
Erniedrigungen, denen wir dort ausgesetzt sind. Der mieseste Job, den ich hatte, war der als Rechercheur für eine Boulevardzeitschrift nahe der Chancery Lane in London. Zwei Jahre zuvor, an der Uni, hatte ich Romane gelesen, Redaktionen geleitet, in einer Hardcore-Punkband mitgespielt und das Bett verlassen, wenn ich dazu Lust hatte. Jetzt rief ich jeden Tag acht Stunden lang das Pressebüro von Asda an, um den Preis für gebackene Bohnen zu erfahren. Ich kam morgens regelmäßig zu spät zum Dienst, alle meine Freunde waren offenbar erfolgreicher, und es ärgerte mich, wenn man mich aufforderte, den Wagen des Chefredakteurs aus der Garage zu holen, oder mich zum – verfluchter Ausdruck – Kaffeeholen schickte. Mit 21 noch ein Herr, war ich mit 22 zum Sklaven geworden.
Also: kein Vergnügen. Der Job hat sich ohne Zweifel nicht gelohnt, weder finanziell oder emotional noch intellektuell. Das einzige echte Vergnügen, das er bot, war destruktiv: am Ende des Tages mit Kollegen im Pub sitzen und sich über die Chefs beklagen zu können. Die Bezahlung war miserabel, also hatte ich nicht einmal die Genugtuung, Geld übrig zu haben. Es schien, als hätte ich gerade Geld genug, um zur Arbeit und wieder zurück zu kommen, mir zum Mittag ein Käsebrot zu kaufen und meine Miete zu bezahlen. Ich war fast zwei Jahre dort, und ich würde sagen, die ganze Erfahrung war reine Zeitverschwendung, außer dass mir klar wurde, wie ätzend langweilig und freudlos ein Büro sein kann. Ich erfuhr, dass keineswegs Vergnügen, Zufriedenheit und Geld, sondern Miesepeterigkeit, Not und Groll der einzige Lohn für mein Sklavendasein waren. Und die schreckliche Ironie ist: Wenn sich von unserem gegenwärtigen Job herausstellt, dass er weder viel Geld noch viel Spaß bietet, dann meinen wir das Problem damit lösen zu können, dass wir uns einen besseren Job suchen. Und so geht es immer weiter: ein endloser Kreislauf, ein jämmerlicher Zustand, der in der englischen Sitcom The Office grandios durch den Kakao gezogen wird.
Um unser streng geregeltes Arbeitsleben zu verteidigen, heißt es: »Oh, aber die Leute haben Spaß an der Arbeit wegen des menschlichen Miteinanders.« Und es hält sich hartnäckig das Märchen von dem Lottogewinner, der, obwohl er nie wieder hätte arbeiten müssen, seinen schlecht bezahlten Fabrikjob behielt. Ich habe das nie geglaubt. Nein, die Leute haben Spaß am menschlichen Miteinander trotz der miesen Bedingungen, unter denen dieses menschliche Miteinander stattfindet: die trostlose, graue Umgebung, die Leute, die man sich als Kollegen nicht ausgesucht hat, die deprimierenden Kantinen, die Rauch- und Trinkverbote, die herablassenden »Firmenleitsätze« an den Wänden. Nimmt denn irgendjemand allen Ernstes an, jedes menschliche Miteinander würde aufhören, wenn wir ohne Job wären? Die meisten Menschen sind umgängliche Geschöpfe; wir sind sehr wohl in der Lage, ohne die Hilfe eines Arbeitgebers ins menschliche Miteinander einzutreten. Haben wir denn nicht Familie, Freunde, den Pub, das Café, die Bar, den Markt?
Und über Spaß bei der Arbeit wird sowieso oft die Stirn gerunzelt. Mein Chef bei der Zeitschrift pflegte uns zu rüffeln, wenn wir miteinander redeten. In Nickel and Dimed (2001), ihrer großartigen, verdeckt durchgeführten Untersuchung über das Billiglohnleben in Amerika, berichtet Barbara Ehrenreich, dass Arbeiter in Billigrestaurants und Reinigungsfirmen häufig dafür ermahnt werden, was sie »Plauschen« nennen, untätiges Plaudern.
Der englische Historiker E. P. Thompson enthüllt in seinem Klassiker The Making of the English Working Class (1963), dass der Job eine relativ neue Erscheinung ist und aus der Industriellen Revolution hervorging. Vor dem Aufkommen von Dampfmaschinen und Fabriken in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war Arbeit eine viel willkürlichere und weniger strukturierte Angelegenheit. Die Leute arbeiteten, ja, sie hatten »Jobs«, aber der Gedanke, sich an einen einzigen bestimmten Arbeitgeber zu ketten und alle anderen gewinnbringenden Tätigkeiten auszuschließen, war unbekannt. Und der Durchschnittsmensch erfreute sich einer weit größeren Unabhängigkeit als heute.
Nehmen wir einmal die Weber. Vor der Erfindung der »Jenny-Feinspinnmaschine« 1764 durch den Weber und Zimmermann James Hargreaves und der Dampfmaschine durch James Watt im selben Jahr waren die Weber im allgemeinen selbständig und arbeiteten, wann und wie sie wollten. Der junge Friedrich Engels
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