Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
der Geist der Frau in der nächsten Nacht erschien, schmeichelte der Mann ihr und sagte, daß sie alles wisse.
»In der Tat«, antwortete der Geist, »und ich weiß, daß du heute bei jenem Zen-Meister warst.«
»Und da du so viel weißt«, forderte der Mann, »sag mir, wie viele Bohnen ich in meiner Hand halte.«
Da war kein Geist mehr, um diese Frage zu beantworten. [18]
Sehen Sie, ebendiese Art von Kurzschluß war gemeint, wenn ich weiter oben erwähnte, daß man ein solches Problem rein gedanklich pflegen und verfolgen muß und Wirklichkeitsprüfungen dem Erfolg der Sache nur abträglich sein können. Wenn Ihre Verzweiflung und Schlaflosigkeit Sie aber zum modernen Äquivalent eines Zen-Meisters treiben sollten, dann gehen Sie wenigstens zu einem, der von derartigen Lösungen nichts hält. Konsultieren Sie vielmehr einen Nachkommen von Frau Lot, der mit Ihnen zusammen Spiel Nr. 2 mit der Vergangenheit (siehe S. 23) spielt, indem er Sie auf die praktisch endlose Suche nach den Gründen des Problems anhand Ihrer frühesten Kindheitserlebnisse führt.
Die verscheuchten Elefanten
I n den letzten Kapiteln war davon die Rede, wie man die Fähigkeit entwickelt, die rechte Hand nicht wissen zu lassen, was die linke tut. Nun soll das genaue Gegenteil zur Sprache kommen: nicht die Herstellung, sondern die Vermeidung eines Problems zum Zwecke seiner Verewigung.
Das Grundmuster dafür liefert die Geschichte vom Manne, der alle zehn Sekunden in die Hände klatscht. Nach dem Grunde für dieses merkwürdige Verhalten befragt, erklärt er: »Um die Elefanten zu verscheuchen.«
»Elefanten? Aber es sind doch hier gar keine Elefanten.«
Darauf er: »Na, also! Sehen Sie?«
Die Moral von der Geschichte ist, daß Abwehr oder Vermeidung einer gefürchteten Situation oder eines Problems einerseits die scheinbar vernünftigste Lösung darstellt, andererseits aber das Fortbestehen des Problems garantiert. Und darin liegt der Wert der Vermeidung für unsere Zwecke. Zur besseren Erklärung ein weiteres Beispiel: Wenn einem Pferd durch eine Metallplatte im Stallboden ein elektrischer Schock in einen Huf zugeführt wird und kurz davor ein Summerzeichen ertönt, so bringt das Tier sehr rasch diese beiden Wahrnehmungen in scheinbar ursächlichen Zusammenhang. Das heißt, jedesmal, wenn der Summer ertönt, wird das Pferd nun den betreffenden Huf anheben, um dem Schock zu entgehen. Ist einmal diese Assoziation zwischen Summer und Schock hergestellt, so ist der Schock nicht mehr nötig: Der Summer allein führt zum Anheben des Hufs. Und jeder dieser Akte der Vermeidung verstärkt im Tiere (so dürfen wir wohl annehmen) die »Überzeugung«, daß es damit die schmerzvolle Gefahr erfolgreich vermieden hat. Was es nicht weiß und auf diese Weise auch nie herausfinden kann , ist, daß die Gefahr schon längst nicht mehr besteht 5 .
Sie sehen, es handelt sich hier nicht um einen ganz gewöhnlichen Aberglauben. Abergläubische Handlungen sind notorisch unzuverlässig; auf die Wirkung der Vermeidung dagegen kann sich der Unglücksaspirant voll verlassen. Auch ist die Anwendung der Technik viel einfacher, als es zunächst scheinen mag. Im wesentlichen geht es um ein konsequentes Beharren auf dem gesunden Menschenverstand, und was könnte vernünftiger sein?
So kann wohl kein Zweifel daran bestehen, daß eine große Zahl auch unserer alltäglichsten Handlungen ein Element der Gefahr in sich tragen. Wieviel Gefahr soll man in Kauf nehmen? Vernünftigerweise ein Minimum, oder am besten gar keine. Berufsboxen oder Drachensegeln erscheint auch den Waghalsigeren unter uns als zu riskant. Autofahren? Überlegen Sie sich nur, wie viele Menschen täglich bei Verkehrsunfällen umkommen oder zu Krüppeln werden. Aber auch zu Fuß gehen schließt viele Gefahrenmomente ein, die sich dem forschenden Blick der Vernunft bald enthüllen. Taschendiebe, Auspuffgase, einstürzende Häuser, Feuergefechte zwischen Bankräubern und der Polizei, weißglühende Bruchstücke amerikanischer ,oder sowjetischer Raumsonden – die Liste ist endlos, und nur ein Narr wird sich diesen Gefahren bedenkenlos aussetzen. Da bleibt man besser daheim. Aber auch dort ist die Sicherheit nur relativ. Treppen, die Tücken des Badezimmers, die Glätte des Fußbodens oder die Falten des Teppichs oder ganz einfach Messer, Gabel, Scher’ und Licht, von Gas, Heißwasser und Elektrizität ganz zu schweigen. Die einzig vernünftige Schlußfolgerung scheint darin zu bestehen,
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