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Anmutig älter werden (German Edition)

Anmutig älter werden (German Edition)

Titel: Anmutig älter werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Maria Kubitschek
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Testaments nicht vorgekommen. Die Atmosphäre dieser morgendlichen Andacht hatte für mich etwas sehr Bedrückendes und Unheimliches und ich freute mich zu dieser frühen Stunde schon auf das immer köstliche Mittagsmahl im Gästeraum des Klosters.
    Trotz des Malens und der wunderschönen Landschaft wurde ich von Tag zu Tag müder. In meiner hübschen Klosterunterkunft war nachts der Teufel los. Ich fürchtete mich und saß meist mit angezogenen Beinen im Bett. »Das gibt es doch nicht, was ist denn mit mir los?«
    Geschafft von der Frühmette, der Arbeit im Atelier und den schlaflosen Nächten ging ich mittags auf der kleinen Klosterinsel spazieren. Da traf ich zufällig den Pfarrer, der morgens die Messe las. Er sah mich an und meinte, ich sei doch wie das blühende Leben hier angekommen und jetzt sähe ich aus wie der blühende Tod.
    »Sind Sie etwa krank?«
    »Nein, Herr Pfarrer, ich wage es gar nicht auszusprechen, aber ich kann keine Nacht schlafen. Bei mir im Zimmer ist die Hölle los«, stotterte ich herum. »Sind das etwa Teufel?«
    Der Herr Pfarrer lachte schallend, er konnte sich gar nicht mehr beruhigen. »Ja natürlich sind das Teufel. Der einzige Ort, wo es Teufel gibt, ist im Kloster, weil die Nonnen an ihn glauben. Jetzt kommt so ein Licht daher wie Sie und schwupp sind alle Teufel in Ihrem Zimmer.« Noch immer lachend, lud er mich ein, einen Kaffee mit ihm zu trinken und den selbst gebackenen Kuchen seiner Nichte zu probieren.
    Sie zeigte mir, wie man leckersten belgischen Kaffee kocht, und der Kuchen war köstlich. Aber was sollte ich gegen diese Teufeleien tun? »Das Beste ist, Sie gehen in die Klosterbibliothek und holen sich Bücher über Engel, in denen auch Engel abgebildet sind. Diese drapieren Sie um Ihr Bett und am besten auch in Ihr Bett. Folgen Sie meinem Rat und schlafen Sie nie mehr in einem Kloster. Und noch eine Bitte, kommen Sie nicht mehr zur Frühmette, denn da fegen die Giftpfeile der Nonnen von links nach rechts und zurück und Sie sind mittendrin. Das haben Sie nicht verdient.«
    »Aber ich wollte doch …«
    »Heilig werden«, beendete er meinen Satz. »Das sehe ich Ihnen an. Ich glaube Ihr inneres Licht wird Sie schon führen. Heilig brauchen Sie nicht zu werden.«
    Ich folgte seinem Rat, ging in die Klosterbibliothek und fand ein Buch, das mich ins Reich der Engel führte, »Bleibt ihr Engel, bleibt bei mir« von Walter Nigg und Karl Gröning, das mich begeisterte.
    Ich beschäftigte mich mit allen Erzengeln und der Engelhierarchie, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Mein Klosterzimmer verwandelte sich wirklich durch die Anwesenheit der Engel, die ich rief. Es war eine tiefe Erkenntnis, dass ich Engel tatsächlich rufen konnte und sie mir ihre Hilfe zur Verfügung stellten.
    In der Bibliothek fand ich außerdem die Geschichte über den bayerischen Herzog Tassilo, der von Karl dem Großen zum Tode verurteilt und dann begnadigt worden war. Karl der Große verbannte ihn jedoch in ein Kloster nach Frankreich, riss die Familie auseinander, Tassilos Söhne wurden in Klostergefängnisse gesteckt, ebenso seine Frau, die er nie wiedergesehen hat. Nach vielen Jahren besuchte Karl der Große auf einem seiner vielen Feldzüge das Kloster Jumigiès und ließ sich vom Abt das Kirchenschiff zeigen. Da sah er einen alten blinden Mönch, der von einem großen feurigen Engel durch diese Kirche geführt wurde. »Wer ist dieser Mönch, der von einem feurigen Engel geführt wird? Den möchte ich kennenlernen.«
    Als Karl in der Zelle dem blinden Mönch gegenüberstand, erkannte er Tassilo. Die Legende besagt, dass Karl der Große erschüttert auf seine Knie fiel und den Mönch um Verzeihung bat.
    Die Geschichte Tassilos berührte mich tief und ich habe sie mein Leben lang nicht vergessen. Ein Mensch, der so misshandelt worden war, wurde in seiner Not von einem feurigen Engel begleitet.
    War es ein »Zufall«, dass Tassilo das Kloster Frauenwörth, in dem ich mich gerade befand, gegründet hatte?
    Mit diesen Erlebnissen und den fast fertigen Bildern fuhr ich nach München zurück.
    Die Illustrierte brachte einen Vorabdruck und mein erstes Buch »Engel, Elfen, Erdgeister«, das ich aus Erschütterung über das Unglück von Tschernobyl geschrieben hatte, kam heraus. In den Medien erntete ich nur Spott. »Jetzt spinnt sie, das Spatzl.«

Malen, um still zu werden
    D as Malen war für mich auch ein Weg, um still zu werden. Das weiße Papier und ich und die Farbe und das, was entstehen soll auf

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