Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Leibgurt, ein von Gesundheit strotzender junger Gehilfe, der bei Rjabinin auch die Stelle eines Kutschers versah. Rjabinin selbst war schon im Hause und kam den Freunden im Vorzimmer entgegen.
Er war ein Mann in mittleren Jahren, von hohem Wuchs, hager, mit Schnurrbart, das vortretende Kinn glatt rasiert, mit trüben, herausstehenden Augen. Er trug einen langschößigen blauen Rock, an dem hinten die Knöpfe wunderlich tief angesetzt waren, und hohe Stiefel, die um die Knöchel herum Falten bildeten und an den Waden gerade und glatt waren; darüber hatte er noch große Gummischuhe gezogen. Er fuhr sich mit dem Taschentuche ringsum über das Gesicht, schlug die Rockschöße übereinander, die auch ohnedies schon sehr gut saßen, begrüßte die Eintretenden mit einem Lächeln und streckte seinem Verkäufer Oblonski die Hand in eigentümlicher Weise hin, als ob er etwas greifen wollte.
»Nun, da sind Sie ja gekommen«, sagte dieser, ihm die Hand gebend. »Das ist schön.«
»Ich wagte nicht, Euer Durchlaucht Befehlen ungehorsam zu sein, obwohl der Weg überaus schlecht ist. Ich bin positiv den ganzen Weg zu Fuß gegangen, aber ich bin zur bestimmten Zeit hier eingetroffen. Ergebenster Diener, Konstantin Dmitrijewitsch«, wandte er sich an Ljewin und bemühte sich, auch dessen Hand zu haschen. Aber Ljewin, der ein sehr finsteres Gesicht machte, tat, als bemerke er seine Hand gar nicht, und nahm die Schnepfen aus der Jagdtasche. »Ah, Sie haben sich am Weidwerk vergnügt? Was ist das wohl für eine Art von Vögeln?« fügte Rjabinin hinzu, indem er die Waldschnepfen geringschätzig ansah. »Sie sind sicherlich sehr wohlschmeckend.« Und er wiegte mißbilligend den Kopf hin und her, als zweifle er stark daran, daß die kleinen Tierchen die darauf verwendeten Mühen und Kosten lohnten.
»Willst du in mein Zimmer gehen?« fragte Ljewin seinen Freund auf französisch mit finster gerunzelter Stirn und fuhr dann nach dessen Zustimmung auf russisch fort: »Geht in mein Zimmer, da könnt ihr ungestört miteinander verhandeln.«
»Sehr wohl, wo Sie wünschen«, sagte Rjabinin in würdevollem, etwas geringschätzigem Tone, wie wenn er zu verstehen geben wollte, daß wohl andere Leute in Verlegenheit sein könnten, wie sie mit einem jeden umzugehen hätten, daß aber für ihn irgendwelche Verlegenheit nie in Frage komme.
Beim Eintreten in Ljewins Arbeitszimmer blickte Rjabinin gewohnheitsmäßig umher, wie wenn er mit den Augen das Heiligenbild suche; als er es aber gefunden hatte, bekreuzte er sich nicht. Er betrachtete die Bücherschränke und Bücherregale, und mit derselben Miene des Zweiflers wie bei den Schnepfen lächelte er wieder geringschätzig und wiegte mißbilligend den Kopf hin und her, denn hier konnte er unter keinen Umständen zugeben, daß diese Dinge das viele Geld wert seien.
»Nun, haben Sie das Geld mitgebracht?« fragte Oblonski. »Nehmen Sie Platz!«
»Mit der Zahlung wird es keine Schwierigkeit haben. Ich bin hergekommen, um Sie zu sehen und mit Ihnen zu verhandeln.«
»Worüber ist denn noch zu verhandeln? Aber so nehmen Sie doch Platz!«
»Ich bin so frei«, sagte Rjabinin und setzte sich dergestalt, daß er sich auf eine für ihn höchst unbequeme Weise mit den Ellbogen gegen die Stuhllehne stemmte. »Sie müssen noch etwas ablassen, Fürst. Sie versündigen sich an mir. Aber das Geld habe ich effektiv bereit, bis auf die letzte Kopeke. Die Zahlung wird pünktlich und ohne Verzug erfolgen.«
Ljewin, der unterdes sein Gewehr in den Schrank gestellt hatte, war schon im Begriffe gewesen, hinauszugehen, blieb aber stehen, als er diese Worte des Händlers hörte.
»Sie bekommen ohnehin schon den Wald so gut wie umsonst«, sagte er. »Er ist leider zu spät zu mir gekommen, sonst hätte ich den Preis gemacht.«
Rjabinin stand auf und blickte schweigend und lächelnd Ljewin von unten bis oben an.
»Konstantin Dmitrijewitsch ist gar zu wirtschaftlich«, sagte er, zu Stepan Arkadjewitsch gewendet, mit demselben Lächeln. »Dem kann man effektiv nichts abkaufen. Ich habe mit ihm um seinen Weizen gehandelt und ihm ein schönes Stück Geld dafür geboten.«
»Warum sollte ich Ihnen denn mein Eigentum umsonst geben? Ich habe es weder auf der Erde gefunden noch gestohlen.«
»Aber ich bitte Sie! Zu stehlen ist heutzutage positiv unmöglich. Heutzutage findet effektiv in allen Sachen öffentliches Gerichtsverfahren statt; in allen Sachen
Weitere Kostenlose Bücher