Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
andere Bräutigame; und sein Glück wuchs dadurch nur noch mehr und gestaltete sich seiner Ansicht nach immer mehr zu einem ganz besonderen und eigenartigen, das seinesgleichen weder in der Vergangenheit gehabt habe, noch in Zukunft jemals haben werde.
»Jetzt werden wir aber einmal Konfekt zu essen bekommen!« äußerte Mademoiselle Linon, und Ljewin fuhr hin, um Konfekt zu kaufen.
»Na, das freut mich recht«, sagte Swijaschski. »Ich empfehle Ihnen, die Blumen von Fomin zu entnehmen.«
»Also Blumen sind nötig?« Und er fuhr zu Fomin.
Sein Bruder meinte, er werde wohl etwas Geld aufnehmen müssen, da er doch viele Ausgaben haben werde, für Geschenke ...
»Ah, also Geschenke sind erforderlich?« Und er hatte es eilig, zum Bankier Fulde hinzukommen.
Und sowohl beim Konditor wie auch bei Fomin und bei Fulde sah er, daß die Leute ihn erwartet hatten und sich über sein Kommen freuten und an seinem Glücke teilnahmen, ganz so wie alle, mit denen er in dieser Zeit zu tun hatte. Es erschien ihm merkwürdig, daß ihn nicht nur alle Leute gern hatten, sondern sogar alle die Menschen, die ihm früher unleidlich gewesen waren und sich gegen ihn kühl und gleichgültig benommen hatten, nun von ihm entzückt waren, sich ihm in allen Dingen gefällig zeigten, seinem Gefühle gegenüber ein zartes, taktvolles Benehmen beobachteten und seine Überzeugung teilten, daß er der glücklichste Mensch der Welt sei, da seine Braut den Gipfel aller Vollkommenheit darstelle. Ganz dieselbe Empfindung hatte auch Kitty. Als die Gräfin Northstone sich erlaubte, eine Andeutung zu machen, daß sie eigentlich doch für Kitty noch etwas Besseres gewünscht habe, da wurde Kitty so heftig und bewies mit so überzeugenden Gründen, daß es einen besseren Gatten als Ljewin überhaupt auf der ganzen Welt nicht geben könne, daß die Gräfin Northstone dies zugeben mußte und von da an, sobald Kitty zugegen war, für Ljewin immer ein Lächeln des Entzückens bereit hatte.
Das Geständnis, das er seiner Braut versprochen hatte, war das einzige schmerzliche Ereignis in dieser ganzen Zeit. Er fragte darüber den alten Fürsten um Rat und übergab mit dessen Genehmigung Kitty sein Tagebuch, in dem das, was ihn so quälte, geschrieben stand. Auch hatte er dieses Tagebuch bereits damals, als er es anlegte, im Hinblick auf seine zukünftige Braut geschrieben. Ihn peinigten zwei Dinge: seine Unreinheit und sein Unglaube. Das Geständnis seines Unglaubens nahm Kitty ohne Erregung hin. Sie war religiös gesinnt und hatte nie an der Wahrheit der Religion gezweifelt; aber sein äußerlicher Unglaube machte überhaupt keinen Eindruck auf sie. Vermöge ihrer Liebe kannte sie seine ganze Seele, und was sie in seiner Seele sah, das schien ihr gut; daß aber ein solcher Seelenzustand als Unglaube bezeichnet wird, das war ihr völlig gleichgültig. Über das andere Geständnis hingegen vergoß sie bittere Tränen.
Ljewin hatte ihr sein Tagebuch nicht ohne inneren Kampf übergeben. Er wußte, daß es zwischen ihm und ihr keine Geheimnisse geben könne und dürfe, und war daher zu der bestimmten Überzeugung gelangt, daß es seine Pflicht sei, dies zu tun; aber er war sich nicht darüber klargeworden, wie dies wirken könne, und hatte sich nicht in ihre Seele hineinversetzt. Erst als er an dem betreffenden Abend vor der Theatervorstellung zu Schtscherbazkis kam, in Kittys Zimmer trat und ihr verweintes, trauriges, liebes Gesichtchen erblickte, das infolge des von ihm verschuldeten, nie wiedergutzumachenden Kummers so tief unglücklich aussah: erst da begriff er ganz, durch welch eine Kluft seine schmähliche Vergangenheit von ihrer Taubenreinheit getrennt war, und erschrak tief über das, was er getan hatte.
»Nehmen Sie diese schrecklichen Bücher weg, nehmen Sie sie weg!« rief sie und stieß die Hefte, die vor ihr auf dem Tische lagen, von sich. »Warum haben Sie sie mir gegeben? ... Aber nein, es war doch besser so«, fügte sie, von Mitleid über seine verzweifelte Miene ergriffen, hinzu. »Aber es ist entsetzlich, entsetzlich!«
Er ließ den Kopf sinken und schwieg. Er war nicht imstande, etwas zu sagen.
»Sie werden es mir nicht verzeihen«, flüsterte er.
»Verziehen habe ich es, ja. Aber es ist entsetzlich!«
Aber sein Glück war so groß, daß selbst dieses Geständnis es nicht störte, sondern ihm nur eine neue Schattierung verlieh. Sie hatte ihm verziehen. Aber seitdem achtete er sich ihrer
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