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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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immer zusammenfielen; aber das ist unmöglich. Die ganze bunte Mannigfaltigkeit, der ganze Reiz, die ganze Schönheit des Lebens setzt sich aus Licht und Schatten zusammen.«
     
    Ljewin seufzte und erwiderte nichts darauf. Er hatte seine eigenen Gedanken und hörte nicht auf das, was Oblonski sagte.
     
    Und auf einmal fühlten sie beide, daß, obgleich sie Freunde waren und obgleich sie zusammen gespeist und Wein getrunken hatten, was sie eigentlich einander hätte noch näherbringen müssen, daß dennoch ein jeder von ihnen nur an sich selbst dachte und sich um den anderen herzlich wenig grämte. Oblonski hatte schon mehr als einmal diese Erfahrung gemacht, daß nach einem gemeinsamen guten Mittagessen statt der zu erwartenden Annäherung vielmehr eine Entfremdung eintritt, und wußte, was in solchen Fällen zu tun sei.
     
    »Die Rechnung!« rief er und begab sich dann in den anstoßenden Saal, wo er auch sogleich einen ihm bekannten Adjutanten traf und sich mit ihm in ein Gespräch über eine Schauspielerin und ihren Liebhaber einließ. Und bei dieser Unterhaltung mit dem Adjutanten fühlte Oblonski sofort, daß ihm leichter zumute wurde und er sich von dem Gespräche mit Ljewin erholte, der ihn immer zu einer übermäßigen geistigen und seelischen Anspannung veranlaßte.
     
    Der Tatar erschien mit der Rechnung im Betrage von sechsundzwanzig Rubeln und einigen Kopeken, wozu dann noch das Trinkgeld kam; aber Ljewin, der als Bewohner des platten Landes zu anderer Zeit einen gewaltigen Schreck über eine Rechnung bekommen hätte, bei der auf sein Teil vierzehn Rubel entfielen, beachtete dies jetzt gar nicht, bezahlte und begab sich nach Hause, um sich umzukleiden und dann zu Schtscherbazkis zu fahren, wo sich sein Schicksal entscheiden sollte.
     
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    1 (frz.) der vornehmen jungen Leute von Petersburg.
     

12
     
    D ie Prinzessin Kitty Schtscherbazkaja war achtzehn Jahre alt; es war der erste Winter, in dem sie Gesellschaften besuchte. Ihre Erfolge auf diesem Gebiete waren größer als die ihrer beiden älteren Schwestern, sogar größer, als die Fürstin erwartet hatte. Nicht nur, daß die tanzenden jungen Männer auf den Moskauer Bällen fast sämtlich in Kitty verliebt waren, sondern es hatten sich auch gleich im ersten Winter zwei ernstliche Bewerber für sie gefunden: Ljewin und unmittelbar nach dessen Abreise Graf Wronski.
     
    Ljewins Erscheinen in der Moskauer Gesellschaft zu Anfang des Winters, seine häufigen Besuche und seine augenscheinliche Liebe zu Kitty gaben Kittys Eltern den ersten Anlaß, miteinander ernsthaft über die Zukunft ihrer Tochter zu reden, wobei es zwischen dem Fürsten und der Fürstin zum Streit kam. Der Fürst stand auf Ljewins Seite und erklärte, er könne sich für Kitty gar keinen besseren Mann wünschen. Die Fürstin dagegen äußerte sich nach der den Frauen eigenen Gewohnheit, den Kernpunkt einer Frage zu umgehen, dahin, daß Kitty noch zu jung sei, daß Ljewin durch nichts ernste Absichten erkennen lasse, daß Kitty keine Neigung für ihn empfinde, und was es an derartigen Gründen mehr gab; ihren Hauptgrund aber sprach sie nicht aus, daß sie nämlich für ihre Tochter auf eine bessere Partie hoffe, daß Ljewin ihr unsympathisch sei und daß sie ihn in seinem ganzen Wesen nicht verstehe. Als nun Ljewin urplötzlich abreiste, freute sich die Fürstin darüber geradezu und sagte triumphierend zu ihrem Manne: »Siehst du wohl, ich hatte recht!« Und als darauf Wronski erschien, war sie noch viel mehr erfreut, da sie sich immer mehr in ihrer Meinung bestärkt sah, daß Kitty nicht etwa nur eine gute, sondern eine glänzende Partie machen müsse.
     
    Nach der Anschauung der Mutter waren Wronski und Ljewin gar nicht miteinander zu vergleichen. Der Mutter mißfielen an Ljewin sowohl seine seltsamen, schroffen Urteile auf vielen Gebieten wie auch sein unbeholfenes Wesen im gesellschaftlichen Verkehr, das nach ihrer Annahme auf Stolz beruhte; dann sein nach ihren Begriffen ungebildetes Leben auf dem Lande, wo er nur mit dem Vieh und den Bauern zu tun habe; ihr starkes Mißfallen erregte es auch, daß er, der doch in ihre Tochter verliebt war, anderthalb Monate lang bei ihnen im Hause verkehrte und dabei anscheinend irgend etwas abwartete und Beobachtungen anstellte, als ob er fürchte, der Familie durch einen Heiratsantrag eine gar zu große Ehre anzutun, und endlich, daß er kein Verständnis dafür hatte, daß er die Pflicht habe, sich zu erklären, wenn er so auffällig in

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