Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
der wird Sie nicht hindern, eine Frau zu lieben.«
»Der Tintenfisch würde mir nicht hinderlich sein, wohl aber die Frau.«
»Wieso denn?«
»Das werden Sie schon noch sehen. Sie lieben ja die Landwirtschaft und die Jagd; na, da passen Sie mal auf!«
»Heute war Archip hier und sagte, es gäbe in Prudnoje eine Unmenge Elentiere und zwei Bären«, sagte Tschirikow.
»Na, die müssen Sie also schon ohne mich schießen.«
»Das wird wohl nicht anders gehen«, erwiderte Sergei Iwanowitsch. »Und auch für die Zukunft kannst du nur der Bärenjagd Lebewohl sagen; da wird dich deine Frau nicht mehr hinlassen!«
Ljewin lächelte. Die Vorstellung, daß seine Frau ihn nicht werde auf die Jagd gehen lassen, hatte für ihn etwas so Angenehmes, daß er bereit war, für immer auf das Vergnügen zu verzichten, einen Bären wieder zu Gesichte zu bekommen.
»Aber schade ist es doch, daß diese beiden Bären ohne Ihre Mitwirkung erlegt werden sollen. Denken Sie wohl noch an das letztemal in Chapilowo? Das war eine wundervolle Jagd«, sagte Tschirikow.
Ljewin wollte ihm nicht den Wahn benehmen, daß es irgendwo ohne Kitty etwas Schönes geben könne, und antwortete deshalb nicht.
»Nicht ohne guten Grund hat sich doch dieser Brauch herausgebildet, vom Junggesellenleben förmlich Abschied zu nehmen«, meinte Sergei Iwanowitsch. »Mag sich einer bei seiner Verheiratung auch noch so glücklich fühlen, es tut ihm doch leid um seine Freiheit.«
»Gestehen Sie es nur ein: es ist Ihnen auch wohl so zumute wie dem Bräutigam bei Gogol, daß Sie am liebsten aus dem Fenster springen möchten?« neckte Tschirikow.
»Natürlich ist ihm so zumute; aber zugeben wird er es nicht!« sagte Katawasow und lachte laut auf.
»Nun, wie denken Sie darüber? Das Fenster ist offen. Fahren wir sofort nach Twer. Da ist eine Bärin, zu deren Lager wir ohne weiteres gehen können. Im Ernst, fahren wir mit dem Fünfuhrzug! Und die Leute hier in Moskau mögen anfangen, was sie wollen!« schlug Tschirikow lächelnd vor.
»Aber ich kann auf meine Ehre versichern«, erwiderte Ljewin lächelnd, »ein solches Gefühl des Bedauerns über den Verlust meiner Freiheit vermag ich in meiner Seele nicht zu finden!«
»Ja, in Ihrer Seele ist jetzt ein solcher Wirrwarr, daß Sie überhaupt nichts darin finden können«, entgegnete Katawasow. »Aber warten Sie nur ein Weilchen; wenn Sie da erst ein bißchen Ordnung hergestellt haben, dann werden Sie es schon finden!«
»Nein, wenn in meiner Seele ein Bedauern über den Verlust der Freiheit überhaupt vorhanden wäre, so würde ich es neben meinem Gefühle« (er mochte dem Spötter gegenüber nicht das Wort Liebe gebrauchen) »und neben meiner Glückseligkeit doch wenigstens ein klein bißchen empfinden. Aber ganz im Gegenteil, ich freue mich über diesen Verlust meiner Freiheit.«
»Schlimm, schlimm! Ein unheilbarer Kranker!« sagte Katawasow. »Na, wir wollen auf seine Genesung trinken oder ihm wünschen, daß auch nur der hundertste Teil seiner Zukunftsträume zur Wirklichkeit werden möge. Schon das wird ein Glück sein, wie es auf der Welt noch nie dagewesen ist.«
Bald nach dem Essen fuhren die Gäste weg, um sich noch zur Hochzeit umzukleiden.
Als Ljewin allein geblieben war und nochmals an die Gespräche dieser Junggesellen zurückdachte, legte er sich noch einmal die Frage vor, ob in seiner Seele dieses Gefühl des Bedauerns über den Verlust seiner Freiheit vorhanden sei, von dem sie gesprochen hatten. Er lächelte bei dieser Frage. ›Freiheit? Wozu habe ich Freiheit nötig? Das Glück besteht nur darin, daß ich liebe, daß ich wünsche, was sie wünscht, denke, was sie denkt; von Freiheit ist dabei nicht die Rede. Das, ja das ist das Glück!‹
›Aber kenne ich denn auch ihre Gedanken, ihre Wünsche, ihre Gefühle?‹ flüsterte ihm auf einmal eine Stimme in seinem Innern zu. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht, und er versank in Nachdenken. Und plötzlich überkam ihn ein sonderbares Gefühl. Angst und Zweifel ergriffen ihn – Zweifel an allem.
›Aber wenn sie mich nun nicht liebt? Wenn sie mich nur heiratet, um einen Mann zu bekommen? Wenn sie selbst nicht weiß, was sie tut?‹ fragte er sich. ›Vielleicht kommt sie erst, wenn sie mich geheiratet hat, zur Besinnung und sieht dann ein, daß sie mich nicht liebt und mich nicht hat lieben können.‹ Und nun kamen ihm sonderbare, ganz arge Gedanken
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