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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Umstände des Vorfalles immer wieder in Hitze geraten sei und wie er,
    Wronski, als die letzten Redewendungen halbwegs nach Versöhnung geklungen hatten, ausweichend sich schleunigst
    zurückgezogen und dabei Petrizki vor sich hergestoßen habe.
    »Eine greuliche Geschichte, aber höchst komisch. Kedrow kann sich doch mit diesem Herrn nicht schlagen! Also er
    ist furchtbar erbost gewesen?« fragte er lachend. »Aber wie sich heute die Claire macht! Prächtig!« bemerkte er mit
    Bezug auf eine neue französische Schauspielerin. »Und wenn man sie noch so oft sieht, jedesmal ist sie eine andere.
    So etwas bringen doch nur die Franzosen fertig.«
Fußnoten
    1 (frz.) viel Glück.

6
    Die Fürstin Betsy fuhr, ohne das Ende des letzten Aktes abzuwarten, aus dem Theater weg. Kaum hatte sie Zeit
    gehabt, in ihr Toilettenzimmer zu gehen, ihr langes, blasses Gesicht zu pudern, den Puder abzuwischen, sich
    zurechtzumachen und den Tee in den großen Salon zu bestellen, als auch schon ein Wagen nach dem anderen an ihrem
    gewaltigen Hause an der Bolschaja-Morskaja-Straße vorfuhr. Die Gäste stiegen auf der breiten Anfahrt aus, und der
    wohlbeleibte Pförtner, der vormittags zur Erbauung der Vorübergehenden hinter der Glastür meist seine Zeitung las,
    öffnete geräuschlos diese mächtige Tür und ließ die Ankommenden an sich vorüberwandeln.
    Fast zu gleicher Zeit traten durch die eine Tür die Hausfrau mit aufgefrischter Frisur und aufgefrischtem
    Gesicht und durch eine andere die Gäste in den großen Salon mit den dunklen Wänden, den schwellenden Teppichen und
    dem hell erleuchteten Tische, auf dem das schneeweiße Tischtuch, der silberne Samowar und das durchscheinende
    porzellanene Teegeschirr im Scheine zahlreicher Kerzen glänzten.
    Die Hausfrau setzte sich hinter den Samowar und legte die Handschuhe ab. Die Gesellschaft rückte sich mit Hilfe
    der kaum wahrnehmbaren Diener Stühle zu recht und nahm Platz, wobei sie sich in zwei Gruppen schied: die eine um
    den Samowar und die Wirtin, die andere am entgegengesetzten Ende des Salons um die schöne Gattin eines Gesandten,
    mit schwarzen, scharf gezeichneten Augenbrauen, in schwarzem Samtkleide. Das Gespräch schwankte, wie das immer in
    den ersten Minuten zu gehen pflegt, zunächst in beiden Kreisen unsicher hin und her, fortwährend unterbrochen durch
    das Hinzukommen neuer Gäste, durch Begrüßungen, durch das Anbieten des Tees, und suchte gleichsam nach einem
    Stoffe, bei dem es verweilen könnte.
    »Sie ist als Schauspielerin außerordentlich tüchtig; man sieht, daß sie Kaulbach studiert hat«, bemerkte ein
    Diplomat in der Gruppe um die Gattin des Gesandten. »Haben Sie wohl bemerkt, wie künstlerisch sie hinfiel?«
    »Ach, bitte, wir wollen doch nicht von der Nilsson sprechen! Über die etwas Neues zu sagen, ist ja ein Ding der
    Unmöglichkeit!« unterbrach ihn eine beleibte Dame mit rotem Gesicht und blondem Haar, ohne Augenbrauen und ohne
    Chignon, in einem alten seidenen Kleide. Dies war die Fürstin Mjachkaja, die wegen der Naturwüchsigkeit und
    Derbheit ihres Benehmens berüchtigt war und daher das enfant terrible genannt wurde. Die Fürstin Mjachkaja saß in
    der Mitte zwischen beiden Gruppen, hörte nach beiden Seiten hin zu und beteiligte sich bald hier, bald dort an der
    Unterhaltung. »Mir haben heute schon drei Personen dieselbe Redensart über Kaulbach gesagt, gerade wie wenn sie
    sich verabredet hätten. Und sie schienen, ich weiß nicht, warum, an dieser Redensart ein ganz besonderes
    Wohlgefallen zu finden.«
    Das Gespräch war durch diese Bemerkung gestört worden, und man mußte auf ein neues Thema sinnen.
    »Erzählen Sie uns etwas Ergötzliches, aber nichts Boshaftes!« sagte die Frau des Gesandten, eine Meisterin in
    derjenigen Art der vornehmen Unterhaltung, die man im Englischen small talk 1 nennt. Sie wendete sich mit dieser Aufforderung an den Diplomaten, der ebenfalls
    nicht wußte, was er zur Sprache bringen solle.
    »Man sagt, das sei außerordentlich schwer; nur das Boshafte sei komisch«, begann er lächelnd. »Aber ich will es
    versuchen. Geben Sie mir ein Thema! Es kommt alles auf das Thema an. Ist das Thema einmal gegeben, so kann man sich
    leicht darüber ergehen. Ich denke oft, daß die berühmten Plauderer des vorigen Jahrhunderts jetzt ihre Not hätten,
    etwas Neues, Verständiges zu sagen. Alles Verständige ist schon bis zum Überdruß abgenutzt.«
    »Das ist auch schon längst gesagt worden«, unterbrach ihn lachend die

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