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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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die Höhe, und von neuem überbiete ich mich in diplomatischen Feinheiten.«
    »Ach, das muß ich Ihnen erzählen!« rief Betsy lachend einer Dame zu, die zu ihr in die Loge trat. »Er hat mich
    so zum Lachen gebracht ... Nun, bonne chance 1 !«
    fügte sie, zu Wronski gewendet, hinzu und reichte ihm einen Finger, den sie beim Halten des Fächers noch frei
    hatte; zugleich schob sie die Taille ihres Kleides, die sich etwas hinaufgezogen hatte, durch eine Bewegung der
    Schultern nach unten, um, wie es sich gehört, vollständig entblößt zu sein, wenn sie nach vorn an die Brüstung der
    Loge in das helle Licht der Gasflammen träte, um von allen gesehen zu werden.
    Wronski fuhr zum Französischen Theater. Er mußte wirklich dringend den Regimentskommandeur sprechen und wußte,
    daß er ihn dort träfe, da dieser nie eine Vorstellung im Französischen Theater versäumte; ihm wollte Wronski über
    seine Friedensvermittlung berichten, die ihn nun schon seit zwei Tagen beschäftigte und belustigte. Bei diesem
    Vorfall war einer der Beteiligten Petrizki, den Wronski sehr gern hatte, und der andere ein erst kürzlich
    eingetretener prächtiger junger Mann und vorzüglicher Kamerad, der junge Fürst Kedrow. Die Hauptsache aber war, daß
    es sich dabei um den guten Ruf des Regiments handelte.
    Die beiden jungen Offiziere gehörten zu Wronskis Eskadron. Der Titularrat Wenden hatte den Regimentskommandeur
    vor einigen Tagen aufgesucht und sich bei ihm über zwei seiner Offiziere beschwert, die seine Gattin beleidigt
    hätten. Wenden erzählte, seine junge Frau – er sei nämlich erst ein halbes Jahr verheiratet – sei mit ihrer Mutter
    in der Kirche gewesen und habe dort ein Unwohlsein verspürt, das durch einen gewissen körperlichen Zustand
    hervorgerufen sei. Sie sei nicht imstande gewesen, länger zu stehen, und sei daher mit der ersten Droschke, die sie
    habe bekommen können – es sei eine Droschke erster Klasse gewesen –, nach Hause gefahren. Da seien zwei Offiziere
    in einem Wagen ihr nachgejagt. Sie habe einen furchtbaren Schreck bekommen und sei dadurch noch kränker geworden;
    so sei sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufgelaufen. Er selbst, Wenden, habe nach seiner Rückkehr vom Amt die
    Klingel an der Tür und dann mehrere Stimmen gehört; er sei hingegangen, und als er dort die beiden betrunkenen
    Offiziere mit einem Briefe erblickt habe, habe er sie aus dem Vorsaal hinausgedrängt. Er ersuche um strenge
    Bestrafung.
    »Nein, das müssen Sie selbst zugeben«, hatte der Regimentskommandeur zu Wronski gesagt, den er hatte zu sich
    kommen lassen, »dieser Petrizki macht sich unmöglich. Es vergeht keine Woche ohne irgendeine Skandalgeschichte.
    Dieser Beamte wird die Sache nicht auf sich beruhen lassen, sondern wird weitergehen.«
    Wronski hatte sofort eingesehen, daß dies eine undankbare Aufgabe sei und ein Duell dabei nicht in Frage komme,
    daß man vielmehr alles mögliche tun müsse, um diesen Titularrat zu besänftigen und die Sache damit aus der Welt zu
    schaffen. Der Regimentskommandeur hatte Wronski gerade deshalb zu sich bestellt, weil er ihn für einen vornehm
    denkenden, verständigen Menschen hielt, namentlich aber für einen Mann, dem die Ehre des Regiments am Herzen lag.
    Sie hatten nun die Sache miteinander durchgesprochen und waren zu dem Ergebnis gelangt, Petrizki und Kedrow sollten
    sich mit Wronski zu diesem Titularrat begeben und ihn um Entschuldigung bitten. Der Regimentskommandeur und Wronski
    waren beide der Ansicht, daß Wronskis Name und das Abzeichen des Flügeladjutanten auf seinen Achselstücken zur
    Besänftigung des Titularrates erheblich mitwirken würden. Und tatsächlich hatten sich diese beiden Mittel teilweise
    wirksam gezeigt; aber der Erfolg des Vermittlungsversuchs war doch noch einigermaßen zweifelhaft geblieben, wie das
    Wronski auch seiner Cousine erzählt hatte.
    Als Wronski im Französischen Theater angelangt war, zogen der Regimentskommandeur und er sich in das Foyer
    zurück, und Wronski berichtete seinem Chef über seinen Erfolg oder Mißerfolg. Nachdem der Regimentskommandeur alles
    hin und her erwogen hatte, kam er zu dem Entschlusse, gegen die Schuldigen nicht weiter vorzugehen; aber dann
    fragte er des Spaßes halber Wronski über die Einzelheiten seiner Verhandlungen aus und mußte lange Zeit immer von
    neuem loslachen, als er Wronski erzählen hörte, wie der Titularrat, nachdem er sich schon einigermaßen beruhigt
    hatte, bei der Erinnerung an die näheren

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