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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Vornehmheit, der Luxus und die Nichtigkeit ihres Daseins versetzt waren – solcherart die Empfindungen, die den langen, ereignislosen Umgang in immer denselben ländlichen Kreisen auflockerten und die Lücken füllten, die durch keine nützliche Tätigkeit außer Haus und durch keine Begabung oder Fertigkeit
im
Hause geschlossen wurden.
    Jetzt freilich erhielten ihre Gedanken neue Nahrung in Form einer weiteren Sorge. Ihr Vater geriet zusehends in Geldnöte. Wenn er dieser Tage das Baronetsregister aufschlug, dann, so wußte sie, um die hohen Rechnungen seiner Lieferanten und die unwillkommenen Andeutungen von Mr. Shepherd, seinem Verwalter, aus seinem Kopf zu verbannen. Kellynch warf einiges ab, aber den Vorstellungen Sir Walters von dem Lebensstandard, der sich für seinen Besitzer geziemte, konnte es nicht genügen. Zu Lady Elliots Lebzeiten hatte ihr besonnenes, maßvolles Wirtschaften seine Ausgaben stets knapp im Rahmen seiner Einkünfte gehalten; aber solcherlei Umsicht war zusammen mit ihr zu Grabe gelegt worden, und seitdem überschritt er sein Budget regelmäßig. Weniger auszugeben wäre ihm unmöglich gewesen; er hatte sich nichts geleistet, was er sich als Sir Walter Elliot nicht zwingend schuldete; doch so untadelig er sich auch verhielt, seine Schulden wuchsen nicht nur in beängstigende Höhen, er mußte auch so viel darüber hören, daß er nicht mehr hoffen durfte, irgendeinen Teil der Misere noch länger vor seiner Tochter verheimlichen zu können. Einzelne Andeutungen hatte er schon im Frühjahr in London gemacht, ja, er hatte sich sogar zu der Frage hinreißen lassen: »Können wir uns einschränken? Meinst du, es gibt irgend etwas, worin wir uns einschränken könnten?« – und Elizabeth, soviel muß gerechtigkeitshalber gesagt sein, hatte sich im ersten Aufflammen weiblicher Panik ernsthaft mit der Frage befaßt, was zu tunsei, und schließlich folgende beiden Einsparvorschläge gemacht: Streichung unnützer Almosen und Verzicht auf neue Salonmöbel; diese zweckdienlichen Mittel hatte sie sodann um den glücklichen Einfall ergänzt, Anne kein Geschenk aus der Stadt mitzubringen, wie es bis dahin alljährlicher Brauch gewesen war. Aber ihre Vorstöße, gleichwie achtbar, griffen zu kurz für das wahre Ausmaß des Übels, das ihr Sir Walter nicht lange danach zu gestehen gezwungen war. Elizabeth wußte keine wirkungsvollere Regelung vorzuschlagen. Sie fühlte sich verraten und verkauft, ihr Vater desgleichen; und keinem von ihnen wollte irgendein Weg einfallen, wie ihre Ausgaben zu senken sein könnten, ohne daß ihre Ehre Schaden nahm oder sie in ihrem Komfort auf eine Weise beschnitten wurden, die schlicht unerträglich war.
    Sir Walter konnte nur über einen kleinen Teil seines Besitzes frei verfügen, aber selbst wenn jeder Hektar veräußerlich gewesen wäre, hätte das nichts geändert. Er hatte sich dazu hergegeben, alles zu belasten, was sich nur belasten ließ, zu einem Verkauf jedoch würde er sich niemals hergeben. Nein; solche Schmach würde er nie und nimmer auf seinen Namen laden. Der Kellynch-Besitz sollte so vollständig und ungeschmälert auf seinen Nachfolger übergehen, wie er ihn empfangen hatte.
    Ihre beiden vertrauten Freunde, Mr. Shepherd aus der benachbarten Marktstadt und Lady Russell, wurden um Rat ersucht; und Vater wie auch Tochter schienen überzeugt, daß einer von beiden einen Geistesblitz haben würde, der sie aus ihrer Verlegenheit befreite und ihre Ausgaben verminderte, ohne daß sie sich deshalb irgend etwas versagen müßten, was Geschmack oder Stolz ihnen eingab.

KAPITEL II
    Mr. Shepherd, ein zurückhaltender, vorsichtiger Anwalt, der, ungeachtet seines Einflusses auf Sir Walter und seines Urteils über ihn, nicht gern der Überbringer der unangenehmen Nachricht sein wollte, hütete sich, auch nur den kleinsten Ratschlag zu erteilen, und verwies statt dessen durch die Blume auf das hervorragende Urteil Lady Russells – von deren erprobtem gesundem Menschenverstand er sich ebenjene resoluten Maßregeln versprach, die er am Ende ins Werk gesetzt zu sehen wünschte.
    Lady Russell nahm ihre Aufgabe sehr ernst und zerbrach sich angestrengt den Kopf über die Sache. Sie war eine Frau, die eher gründlich als schnell dachte, und in diesem Fall kam es sie hart an, zu einer Entscheidung zu gelangen, denn zwei wichtige Grundsätze lagen im Widerstreit miteinander. Sie war ein strikt integrer Mensch mit einem feinen Ehrgefühl, aber gleichzeitig so angelegentlich

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